Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
Sie steht auf und zieht sich den Rock gerade, dann hebt sie den Kopf, lacht gekünstelt und will so zu verstehen geben, dass alles nur ein Spiel war, dass es ganz lustig gewesen ist, sie sich jetzt aber langweilt.
«Bis später dann», sagt sie zu Jeffrey und schlendert davon, umkreist von ihrer kleinen Anhängerschar, kaum dass sie sich von uns entfernt hat. Sie verlassen die Cafeteria, und es folgt eine Geräuschexplosion, als die anderen Schüler alle gleichzeitig anfangen zu reden.
Wendy lässt meinen Arm los.
«He», sage ich und drehe mich zu ihr um. «Tut mir leid, das ganze blöde Zeug, das ich gesagt habe.»
«Mir tut es auch leid.»
«Sollen wir nach der Schule zu mir gehen?»
Sie lächelt.
«Klar», sagt sie. «Gerne.»
Wendy und ich haben uns in mein Zimmer zurückgezogen und machen unsere Hausaufgaben zusammen; ohne viel zu reden, beugen wir uns über unsere Bücher und schauen nur gelegentlich auf, um zu lächeln oder etwas zu fragen. Ich denke natürlich kein bisschen an meinen Aerodynamikkurs und die drei physikalischen Theorien, die den Auftrieb erklären sollen. In dem Kurs geht es nur um Zahlen und Winkel, und nichts davon hat mit dem Fliegen im richtigen Leben zu tun, aber witzigerweise bin ich gut in dem Fach.
Ich muss die ganze Zeit an Christian denken. Er war nicht in Englischer Geschichte.
«Ich habe gehört, dass du mit Jason Lovett zum Abschlussball gehst», sage ich schließlich zu Wendy und klappe mein Buch zu. Nicht einen Moment länger ertrage ich es, in meinem eigenen Kopf gefangen zu sein. «Das ist eine Riesensache, oder?»
«Ja», sagt sie und lächelt beglückt.
«Was wirst du anziehen?»
Sie beißt sich auf die Lippen. Die Sache mit dem Kleid hat offensichtlich einen Haken.
«Du hast noch kein Kleid?», frage ich.
«Ich habe da was», antwortet sie und gibt sich Mühe, dabei fröhlich zu klingen. «Was ich in der Kirche anziehe, und ich glaube, das kann ich noch ein bisschen aufpeppen.»
«O nein. Kein Kirchenkleid.» Ich springe auf und laufe zu meinem begehbaren Kleiderschrank, aus dem ich zwei Abendkleider hole, die ich in Kalifornien bei Tanzabenden getragen habe. Ich halte die Kleider hoch, in jeder Hand eines. «Such dir einfach aus, was du magst.»
Plötzlich hat Wendy Probleme, mir in die Augen zu sehen.
«Aber was ist denn mit dir?», stottert sie.
«Ich gehe nicht zum Ball.»
«Das kann ich gar nicht glauben, dass dich noch keiner gefragt hat.»
Ich zucke mit den Schultern.
«Na, wieso fragst du denn nicht einen? Ich meine, wozu soll denn die ganze Emanzipation gut sein, wenn man nicht mal einen Typen zum Ball einladen kann? Ich habe Jason doch auch gefragt.»
«Da ist keiner, mit dem ich gern gehen würde.»
«Huh-huh.»
«Was?»
«Das will ich dir ausnahmsweise noch mal durchgehen lassen.»
«Außerdem, da nun doch Jason Lovett auf dem Abschlussball dein Traumprinz sein wird, brauchst du unbedingt ein umwerfendes Cinderella-Ballkleid. Also such dir schon eins aus.»
Mit sehnsüchtigem Blick verschlingt sie bereits das blassrosafarbene in meiner linken Hand.
«Ich glaube, das würde sensationell an dir aussehen», sage ich und schwenke es vor ihr hin und her.
«Meinst du wirklich? Glaubst du nicht, ich würde lächerlich darin aussehen?»
«Probier es doch mal an.»
Sie schnappt es sich und läuft zur Anprobe in den begehbaren Kleiderschrank.
«Du bist zu groß», jammert sie durch die Tür.
«Dafür gibt es hochhackige Schuhe.»
«Du hast größere Möpse als ich.»
«Bestimmt nicht.»
Die Tür schwingt auf. Unsicher steht sie da, ihr langes goldbraunes Haar umspielt ihren Hals und ihre Schultern. Das Kleid reicht bis weit auf den Boden, aber das ist nichts, was ein Saum nicht in Ordnung bringen könnte.
«Du siehst phantastisch aus.» Ich wühle auf der Suche nach der passenden funkelnden Halskette in meinem Schmuckkästchen. «Wir sollten morgen nach Jackson reinfahren und ein paar Ohrringe für dich suchen. Zu schade, dass die nächste Mall in Idaho Falls ist. Bei Claire’s gibt es die besten Abschlussballsachen. Wie lange fahren wir bis dahin, zwei Stunden?»
«Zweieinhalb», antwortet sie. «Aber ich habe keine Löcher in den Ohrläppchen.»
«Eine Kartoffel und eine Nadel werde ich schon finden.»
Sie keucht und legt sich die Hände über die Ohrläppchen.
«Wie habt ihr euch hier nur amüsiert, ehe ich gekommen bin?»
«Wir haben beim Rennen auf Kühe gewettet.»
Ein lautes Klopfen an meiner Tür, und meine Mutter
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