Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
versuchen. Du schaffst das.»
«Hör auf, ja? Du hörst dich schon an wie ein Trainer beim Sport. Lass mich einfach in Ruhe.»
«Schätzchen …»
«Lass mich in Ruhe!», kreische ich. Ich schaue in ihre verblüfften Augen.
«Na schön», sagt sie. Sie dreht sich um und geht schnell zurück zum Haus. Die Tür schlägt krachend zu. Ich höre Jeffreys Stimme in der Küche und ihre Stimme, tief und geduldig, wie sie ihm antwortet. Ich reibe mir die brennenden Augen. Am liebsten möchte ich weglaufen, aber ich kann nirgendwohin. Also bleibe ich stehen, mein Hals, meine Schultern und mein Knöchel tun mir weh, und ich bade in Selbstmitleid. So stehe ich da, bis es dunkel im Garten ist und nichts mehr zu tun bleibt, als ins Haus zu humpeln.
[zur Inhaltsübersicht]
Idaho Falls
Am Samstagvormittag erscheint Angela eine ganze Stunde zu früh bei uns, und kaum sehe ich sie auf der Veranda, weiß ich, dass die Idee mit dem Frauentag ein Riesenfehler war. Sie sieht aus wie ein Kind an Heiligabend, denn sie ist außer sich vor Freude darüber, meine Mutter kennenzulernen.
«Bleib bloß cool, ja?», sage ich zu ihr, ehe ich sie hereinlasse. «Denk dran, was wir vereinbart haben. Alles ganz lässig. Kein Engelgerede.»
«Klar.»
«Ich meine das ernst. Keine einzige Frage, die mit Engeln zu tun hat.»
«Das hast du mir schon hundertmal gesagt.»
«Frag sie nach Pearl Harbor oder so was. Das gefällt ihr wahrscheinlich.»
Angela verdreht die Augen.
Sie scheint einfach nicht zu begreifen, dass unsere Freundschaft weitgehend davon abhängt, wie ahnungslos sie meiner Mutter erscheint. Wenn Mama wüsste, worüber Angela und ich nachmittags nach der Schule immer geredet haben, wenn sie von den Engelrecherchen, den ganzen Fragen und Angelas durchgeknallten Theorien wüsste, würde sie mich vermutlich nie mehr ins Pink Garter gehen lassen.
«Vielleicht ist es am besten, du hältst ganz den Mund», schlage ich vor. Sie legt eine Hand auf die Lippen und sieht mich an. «Okay, okay», sage ich. «Dann komm jetzt mit.»
In der Küche stellt Mama gerade eine riesige Platte mit Waffeln auf den Tisch. Sie lächelt.
«Hallo, Angela.»
«Hi, Mrs Gardner», sagt Angela in total ehrerbietigem Tonfall.
«Nenn mich Maggie», sagt Mama. «Schön, dich endlich kennenzulernen.»
«Clara hat mir so viel von Ihnen erzählt, dass ich das Gefühl habe, Sie schon zu kennen.»
«Nur Gutes, hoffe ich.»
Ich schaue zu Mama. Seit der vermurksten Flugstunde haben wir kaum drei Sätze miteinander gesprochen. Sie lächelt, ohne die Zähne zu zeigen, ihr Besuchslächeln. «Über dich hat mir Clara allerdings kaum etwas erzählt.»
«Aha», sagt Angela, «na ja, so viel gibt es da auch nicht zu erzählen.»
«Ach, schön, Waffeln», sage ich. «Ich wette, Angela kommt um vor Hunger.»
Mama dreht sich um, geht zum Schrank und holt einen Teller, und in der Zeit schieße ich Angela einen warnenden Blick zu.
«Was?», flüstert sie.
Sie himmelt meine Mutter regelrecht an. Die ganze Zeit beim Frühstück kann sie die Augen nicht von ihr lassen. Was ja noch okay wäre – verrückt, aber okay –, wenn sie nicht nach nur zwei Bissen in ihre Waffel herausgeplatzt wäre: «Wie hoch kann ein Engelblut fliegen? Glauben Sie, wir könnten uns im Weltraum bewegen?»
Mama lacht nur und meint, das klinge cool, aber sie sei sich ziemlich sicher, dass wir Sauerstoff bräuchten. «Keine Superman-Ausflüge zum Mond», sagt sie.
Sie lächeln sich an, was mir einen Stich versetzt. Hätte ich das gefragt, hätte Mama gesagt, dass sie das nicht weiß oder dass es nicht wichtig ist, oder sie hätte das Thema gewechselt. Ich weiß, was sie vorhat. Sie versucht herauszufinden, wie Angela ist. Sie will erfahren, was Angela weiß. Und genau das darf ich nicht zulassen.
Aber für Angela gibt es kein Halten. «Was hat es mit diesem Leuchten auf sich?»
«Dem Leuchten?»
«Sie wissen schon, wenn die Engel in diesem himmlischen Leuchten erstrahlen? Was hat das zu bedeuten?»
«Wir nennen es himmlischen Glanz», antwortet Mama.
«Aber was hat es zu bedeuten?», fragt Angela weiter.
Mama setzt ihr Glas Milch ab und tut, als wäre dies eine tiefschürfende Frage, die ernsthaftes Nachdenken erfordert. «Der Glanz hat viele Funktionen», sagt sie schließlich.
«Ich wette, das Leuchten ist ganz schön praktisch», sagt Angela. «Wie eine eingebaute Taschenlampe. Und man sieht damit natürlich engelhaft aus. Keiner würde daran zweifeln, dass es Engelswesen gibt, wenn
Weitere Kostenlose Bücher