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Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Titel: Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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meine Mutter davon hält.
    «Wäre ich Christian, würde ich einen großen Bogen um jede Tanzveranstaltung machen», sagt Wendy. «Er würde sich dort wie in einer Schlangengrube fühlen.»
    Das stimmte. Diese Woche in der Schule hatte Christian abwesend gewirkt – nicht überdeutlich, aber ich habe ihn beobachtet, also ist es mir aufgefallen. In Englischer Geschichte hat er nicht mal die üblichen Witze gerissen. Im Unterricht hat er sich keine Notizen gemacht. Und dann hat er zwei Tage hintereinander gefehlt, was noch nie vorgekommen ist. Zu spät kommen, ja, aber gefehlt hat Christian noch nie. Ich glaube, das mit Kay hat ihn völlig durcheinandergebracht.
    Ich schlüpfe in das Kleid. Es passt. Als wäre es für mich gemacht. Wie unfair.
    «Komm schon, lass dich ansehen», kommandiert Angela. Ich gehe raus und stelle mich vor den großen Spiegel.
    «Ich wünschte, mein Haar wäre nicht so orange», sage ich und streiche mir eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht.
    «Du solltest es kaufen», sagt Angela.
    «Aber ich gehe doch nicht auf den Ball», wiederhole ich.
    «Du solltest auf den Ball gehen, und sei es auch nur, um dieses Kleid zu tragen», sagt Wendy.
    «Unbedingt», stimmt Angela zu.
    «Du bist wunderschön», sagt meine Mutter, und dann fischt sie zu meinem Entsetzen in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch und tupft sich die Augen ab. Anschließend sagt sie: «Ich kaufe es dir. Wenn du dieses Jahr nicht zum Abschlussball gehst, kannst du es immer noch nächstes Jahr tragen. Es ist perfekt, Clara. Es lässt deine Augen wunderbar kornblumenblau leuchten.»
    Gegen alle drei komme ich nicht an, also verlassen wir fünfzehn Minuten später das Kaufhaus, und über meinem Arm hängt das Kleid. Dann trennen wir uns – getrennt marschieren, vereint siegen, nennt meine Mutter das. Angela und ich machen uns auf die Suche nach Modeschmuck, und Mama und Wendy kümmern sich um die Schuhe, denn nichts liebt meine Mutter auf der Welt so sehr wie neue Schuhe. Wir verabreden, uns eine Stunde später wieder am Eingang zum Einkaufszentrum zu treffen.
    Ich bin in einer seltsamen Stimmung, denn es kommt mir komisch vor, dass Angela und Wendy beide zum Abschlussball gehen, aber das Einzige, was wir bei dieser Shoppingtour bisher gekauft haben, ein Kleid für mich ist. Für mich, die ja gar nicht zum Ball gehen wird. Außerdem ärgere ich mich mal wieder, dass ich keine Ohrstecker tragen kann, weil ich keine Löcher in den Ohrläppchen habe – das Durchstechen brauche ich gar nicht erst zu versuchen, weil solch kleine Wunden bei mir sofort heilen. Die Ohrclips, die ich sehe, gefallen mir alle nicht, und wenn ich schon das perfekte Kleid habe, will ich auch den perfekten Schmuck dazu kaufen für diesen Ball, zu dem ich nicht gehe.
    Auf einmal ist mir leicht übel, und ich fühle mich etwas benommen. Wir kaufen uns jede eine Zimtbrezel, in der Hoffnung, dass es mir hilft, wenn ich etwas im Magen habe. Im Einkaufszentrum wimmelt es von Menschen, nirgends können wir uns hinsetzen, also lehnen wir uns an die Wand, essen unsere Brezeln und beobachten die Leute, die ins Kaufhaus Barnes & Noble strömen und wieder herauskommen.
    «Bist du sauer auf mich?», fragt Angela.
    «Was? Nein.»
    «Seit dem Frühstück hast du keine zwei Worte mit mir geredet.»
    «Na ja, du solltest eigentlich nicht über Engelthemen sprechen, weißt du noch? Du hattest es versprochen.»
    «Tut mir leid», sagt sie.
    «Fahr einfach ein paar Stufen runter, wenn du mit meiner Mutter redest, ja? Mit dem Anstarren und den Fragen und allem.»
    «Ich starre sie an?» Angela wird rot.
    «Wie so ein niedlich staunendes Babypüppchen.»
    «Tut mir leid», wiederholt sie. «Sie ist der einzige Dimidius , den ich je getroffen habe. Ich will wissen, wie sie ist.»
    «Das hab ich dir doch erzählt. Sie hat verschiedene Seiten: Einerseits ist sie eine coole Frau in den Dreißigern, aber auch ein in sich ruhendes Engelwesen und manchmal eine schlechtgelaunte alte Dame.»
    «Das mit der alten Dame kann ich mir nicht vorstellen.»
    «Glaub mir, auch diese Seite existiert. So wie du gleichzeitig ein ausgeflippter Teenager, ein Engelwesen und Privatdetektiv bist.»
    Sie lächelt. «Ich werde versuchen, brav zu sein.»
    In dem Moment sehe ich ihn: einen Mann, der uns vom Eingang des General Nutrition Center aus beobachtet. Er ist groß, hat dunkles, zu einem Pferdeschwanz zurückgekämmtes Haar, trägt ausgebleichte Jeans und einen braunen Wildledermantel, der locker

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