Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
eingeladen?» Er sieht mich an.
Ich schüttele den Kopf. «Erschütternd, oder?»
«Ja, eigentlich schon.»
Er reibt sich den Nasenrücken, dann sieht er wieder zu den Wäldern rüber. Er räuspert sich. Kurz kommt mir die verrückte Idee, dass er mich jetzt womöglich zum Abschlussball einladen will, und mein Herz macht allerlei alberne Sprünge in meiner Brust, denn die bloße Vorstellung jagt mir einen Heidenschrecken ein. Ich müsste ihm nämlich einen Korb geben, hier direkt vor Wendy und Angela, die so tun, als würden sie sich unterhalten, die in Wirklichkeit aber genau auf uns achten, und dann würde er sich gedemütigt fühlen. Und Tucker gedemütigt zu sehen, darauf bin ich nun wirklich nicht versessen.
«Geh doch einfach solo», sagt er stattdessen. «Das würde ich jedenfalls machen.»
Fast lache ich auf vor Erleichterung. «Ja, vielleicht.»
Er dreht sich um und ruft Wendy zu: «Ich muss los. Kommst du mal eben einen Moment?»
«Clara fährt mich nachher nach Hause, ich werde Ihre Dienste heute also nicht mehr brauchen, James», sagt Wendy, als wäre er ihr Chauffeur. Er nickt, nimmt sie beim Arm und zieht sie neben den Pick-up, wo er leise auf sie einspricht:
«Ich hab keine Ahnung, was Abschlussballschuhe kosten, aber das könnte vielleicht helfen», sagt er.
«Tucker Avery», meint Wendy. «Du weißt, dass ich das nicht annehmen kann.»
«Komm schon.»
Sie schnaubt verächtlich. «Du bist lieb. Aber das ist dein Rodeogeld. Das kann ich nicht annehmen.»
«Ich krieg neues.»
Er bleibt wohl hartnäckig, denn jetzt sagt sie noch nachdrücklicher nein.
«Na schön dann», brummelt er. Er umarmt sie flüchtig und steigt in seinen Truck, dann wendet er, hält noch mal an, kurbelt das Fenster runter und beugt sich raus.
«Viel Spaß in Idaho. Und nicht dass ihr irgendwelche Kartoffelbauern ärgert», sagt er.
«Das würden wir nie tun.»
«Ach, und Karotte …»
«Ja?»
«Solltest du doch zum Ball gehen, reservier mir einen Tanz, ja?»
Ehe ich Gelegenheit habe, diese Bitte zu verdauen, ist er schon weg.
«Männer», sagt Angela dicht hinter mir.
«Ich finde, das war nett», sagt Wendy.
Ich seufze, bin irgendwie ganz durcheinander. «Lasst uns einfach fahren.»
Plötzlich holt Wendy hörbar Luft. Sie zieht einen Fünfzig-Dollar-Schein aus der Tasche ihres Shirt.
«Dieser unverbesserliche Dummkopf», sagt sie und lächelt.
Kaum fällt mein Blick auf das Kleid, habe ich mich verliebt. Würde ich zum Ball gehen, dann nur in diesem einen. Das ist es. Irgendwie weiß man das einfach bei Kleidern. Sie rufen es einem zu. Dieses ist vom griechischen Chiton inspiriert, trägerlos und hat eine hohe Taille im Empire-Stil. Vorn führt eine üppige Stoffbahn von unten rauf über eine Schulter nach hinten. Es ist blau, ein bisschen heller als marineblau.
«Na schön», sagt Angela, nachdem ich fünf Minuten lang das Kleid auf dem Kleiderständer angestarrt habe. «Du musst es anprobieren.»
«Was? Nein. Ich gehe doch nicht auf den Ball.»
«Na und? He, Maggie, Wendy!» Angela ruft durch die ganze Kaufhausetage zu Wendy hin, die mit meiner Mutter bei den Schuhen ist und sich die Sonderangebote ansieht. «Das Kleid hier für Clara müsst ihr euch angucken.»
Sie lassen alles stehen und liegen und kommen zur Begutachtung des Kleides. Und holen hörbar tief Luft, als sie es sehen. Alle drei bestehen darauf, dass ich es anprobiere.
«Aber ich gehe doch nicht zum Abschlussball», protestiere ich aus der Umkleidekabine heraus, als ich mir mein T-Shirt über den Kopf ziehe.
«Du brauchst überhaupt keine Verabredung», erklärt Angela, die vor der Kabine steht. «Du könntest allein gehen, weißt du.»
«Klar. Allein auf den Abschlussball. Damit ich rumstehen und den anderen beim Tanzen zugucken kann. Klingt sehr verlockend.»
«Na ja, einen kennen wir schon, der mit dir tanzen wird», sagt Wendy leise.
«Er hat gerade mit seiner Freundin Schluss gemacht, weißt du», sagt Mutter.
«Tucker?», fragt Wendy verwirrt.
«Christian», antwortet Mutter.
Mein Herz setzt kurz aus, und als Wendy und Angela nicht reagieren, öffne ich die Tür der Umkleidekabine und strecke den Kopf raus. «Woher weißt du, dass Christian mit Kay Schluss gemacht hat?»
Meine Mutter und Angela sehen sich an. Ich habe sie heute Morgen gerade mal fünf Minuten allein gelassen, und schon hat Angela ihr ihre Theorie von Christian und Clara als den vermeintlich Seelenverwandten präsentiert. Ich würde gern wissen, was
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