Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
Ich reiße mich von ihm los, laufe zur Tür, die auf den Balkon hinausführt, und stürze hinaus in die kühle Nacht. Draußen lehne ich mich an die Wand, schließe die Augen und versuche, mein rasendes Herz zu beruhigen.
«Clara?»
Ich mache die Augen auf. Christian steht vor mir, er wirkt genauso erschüttert wie ich; sein Gesicht wirkt bleich im Lampenschein.
«Es geht mir gut», sage ich und lächle demonstrativ. «Es ist bloß ein bisschen zu stickig da.»
«Ich hole dir etwas zu trinken», sagt er, aber er bleibt stehen.
«Es ist alles okay.» Ich komme mir so blöd vor. Dann blitzt Ärger in mir auf. Ich habe das alles doch gar nicht gewollt! Da werde ich also mit Christian in meinen Armen davonfliegen. Und was dann? Der hinreißende Christian Prescott wird die Welt retten, und meine Arbeit ist getan. Ich werde meine Aufgabe erfüllt, meinem Zweck gedient haben.
Ich komme mir vor wie das Requisit im Leben eines anderen.
«Ich gehe dir jetzt den Punsch holen», sagt Christian.
Ich schüttele den Kopf. «Das war keine gute Idee.»
«Was?»
«Du willst doch gar nicht mit mir hier sein», sage ich und sehe ihm in die Augen. «Es dreht sich doch immer noch alles um Kay.»
Er antwortet nicht.
«Ich dachte, es gäbe eine Verbindung zwischen uns, aber … ich wollte, dass du mich magst, mehr nicht, mich einfach nur magst. Was ihr zwei, du und Kay, hattet – was ihr habt –, was immer das ist, das hatte ich nie.» Zu meinem Entsetzen merke ich, dass ich Tränen in den Augen habe.
«Tut mir leid», sagt er schließlich und lehnt sich an die Wand neben mich. Ernst mustert er mich. «Ich mag dich wirklich, Clara.»
Allmählich kriege ich ein Schleudertrauma von der emotionalen Achterbahnfahrt, auf der ich mich den ganzen Abend schon befinde. Kopfschmerzen habe ich auch.
«Du kennst mich doch nicht mal», sage ich.
«Ich würde dich gern kennenlernen.»
Wenn er doch nur wüsste, wie wichtig das ist. Aber ehe ich antworten kann, geht die Balkontür auf. Brady Hunt kommt raus.
«Die wollen jetzt verkünden, wer Ballkönig wird», sagt er und sieht Christian erwartungsvoll an.
Christian zögert.
«Du solltest gehen», fordere ich ihn auf. Brady wirft mir einen neugierigen Blick zu, dann geht er wieder rein. Christian geht zur Tür und hält sie mir auf, aber ich schüttele den Kopf.
«Ich brauche noch einen Moment, ja?» Ich mache die Augen zu und öffne sie erst wieder, als ich gehört habe, wie sich die Tür schließt. Die Luft ist plötzlich kalt. Einen nach dem anderen benennt Mr Erikson die Gefolgsleute des Ballkönigs, die fast alle zum Sportteam der Schule gehören.
«Und Ballkönig ist …», sagt Mr Erikson. Totale Stille im Raum. «… Christian Prescott.»
Ich gehe gerade noch rechtzeitig wieder hinein, um zu sehen, wie Miss Colbert, meine Französischlehrerin, Christian ein goldenes Zepter überreicht. Christian lächelt huldvoll. Er kann so gut mit der Aufmerksamkeit umgehen, die ihm zuteil wird, wie ein Filmstar oder ein Politiker. Wer weiß, vielleicht wird er ja tatsächlich eines Tages zum Präsidenten gewählt. Miss Colbert kostet das Vergnügen ein bisschen zu sehr aus, wie er da vor ihr kniet, damit sie ihm die Krone aus goldenem Laub auf den Kopf setzen kann. Er bedankt sich bei ihr, steht auf und winkt in die Menge, die ihm ungestüm zujubelt.
Dann tritt er zur Seite, und Mr Erikson verkündet die Gefolgsleute der Ballkönigin, und da werde ich allmählich etwas nervös. Natürlich fällt mein Name nicht. Ich war ja nicht einmal nominiert. Ich bin Bozo der Clown. Aber alle Mädchen unter der Gefolgschaft der Königin sind Kays Freundinnen. Was nur eines bedeuten kann …
«Und jetzt zur Ballkönigin», sagt Mr Erikson: «Kay Patterson.»
Der Raum vibriert unter dem donnernden Applaus der Schüler und Schülerinnen, die für sie gestimmt haben. Mit vollendeter Anmut und Grazie nähert sich Kay der Bühne. Sie steckt sich das Bouquet mit den weißen Rosen unter den Arm und beugt sich herab, als Mr Erikson ihr kleines silbernes Lorbeerkränzchen durch einen großen goldenen Kranz ersetzt.
«Und nun werden, wie es der Brauch ist, König und Königin miteinander tanzen», kündigt Mr Erikson an.
Ein Schwall ganz und gar nicht engelsgleicher Flüche kommt mir in den Sinn.
Voller Erwartung schaut Kay Christian an. Er sieht nach unten, als wolle er einen Beschluss fassen, dann guckt er hoch und lächelt wieder. Als die Musik einsetzt, geht er rüber zu Kay und nimmt ihre
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