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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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meinen Ohren. Dabei war ich doch wild entschlossen, ihm die Wahrheit zu sagen.
    Nur dass ich die Wahrheit gar nicht kenne. Oder vielleicht will ich sie ja auch nicht kennen.
    «Schön», sagt er da, aber ich spüre, dass er nicht ganz sicher ist, ob er mir glauben soll. «Gut. Denn ich will dich jetzt auch ganz für mich.»
    «Du hast mich doch ganz für dich», flüstere ich.
    Wieder küsst er mich. Und ich erwidere seinen Kuss.
    Aber plötzlich taucht das Bild von Christian Prescott, wie er mit dem Rücken zu mir an der Fox Creek Road steht und wartet, immer nur wartet, vor meinem inneren Auge auf.

    Als ich nach Hause komme, ist Jeffrey hinten im Hof und hackt im Regen Holz. Er sieht mich und nickt, hebt den Arm und wischt sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Oberlippe. Dann packt er einen Holzklotz, hebt wieder die Axt und spaltet den Klotz mühelos. Und dann spaltet er noch einen. Und noch einen. Der Stapel mit Holzscheiten zu seinen Füßen ist schon ziemlich groß, und es hat nicht den Anschein, als wolle er so bald mit dem Holzhacken aufhören.
    «Willst du einen Holzvorrat für den ganzen Winter anlegen? Kannst wohl gar nicht abwarten, dass es endlich schneit, was?», frage ich. «Aber du weißt schon, dass es erst September ist.»
    «Mama friert», antwortet er. «Sie sitzt da, im Flanellschlafanzug, in Decken gehüllt, trinkt Tee, und sie zittert. Ich dachte, ich mach ihr ein Feuer.»
    «Oh», sage ich. «Nett von dir.»
    «Da ist was passiert an dem Tag. Mit dem Schwarzflügel», sagt er und horcht dem Klang seiner Worte nach. Er schaut auf, sieht mir in die Augen. Manchmal sieht er so jung aus wie ein verletzlicher kleiner Junge. In anderen Momenten wirkt er wie ein Mann. Ein Mann, der schon so viel Traurigkeit in diesem Leben gesehen hat. Wie ist das nur möglich, überlege ich. Er ist fünfzehn.
    «Ja», erwidere ich, denn ich bin zu demselben Schluss gekommen. «Ich meine, er hat versucht, sie umzubringen. Es war ein ziemlich harter Kampf.»
    «Wird sie wieder wie vorher?»
    «Ich denke schon.» Der himmlische Glanz hat sie geheilt. Ich habe gesehen, wie er über sie wegspülte wie warmes Wasser, wie er die Verbrennungen, die Blutergüsse fortnahm, die Samjeeza ihr zugefügt hatte. Aber wenn ich jetzt wieder daran denke, erscheint vor meinem inneren Auge sofort das Bild, wie sie an seinem Arm hängt, wie sie um sich schlägt, wie sie keuchend Luft holt, während sich seine Hand fest um ihre Kehle schließt und ihre Tritte schwächer und schwächer werden. Bis sie ganz ruhig war. Bis ich dachte, sie wäre tot. Bei der Erinnerung daran fangen meine Augen an zu brennen, und schnell drehe ich mich weg und schaue aufs Haus, damit Jeffrey meine Tränen nicht sieht.
    Jeffrey hackt weiter Holz, und ich reiße mich zusammen. Es war ein langer Tag. Ich will ins Bett schlüpfen, mir die Decke über den Kopf ziehen und einfach nur schlafen, bis alles vorbei ist.
    «He, wo warst du eigentlich an dem Tag?», frage ich plötzlich.
    Er beschließt, sich dumm zu stellen. «An was für einem Tag?»
    «An dem Tag von dem Waldbrand.»
    Er nimmt noch einen Holzklotz und stellt ihn auf den Hackblock. «Das hab ich dir doch gesagt. Ich war im Wald und hab nach dir gesucht. Ich dachte, ich könnte dir vielleicht helfen.»
    «Wie kommt es bloß, dass ich dir das nicht so recht glauben kann?»
    Weil seine Hand zittert, trifft die Axt schräg auf den Holzklotz und bleibt stecken. Er brummelt unwillig und zieht die Axt heraus.
    «Wie kommt es bloß, dass du mir das nicht glauben willst?», fragt er.
    «Na ja, vielleicht weil ich dich kenne und du dich ziemlich seltsam aufführst. Also wo warst du? Und jetzt mal Klartext.»
    «Vielleicht kennst du mich ja doch nicht so gut, wie du denkst.» Er wirft die Axt in den Dreck, dann packt er sich einen Armvoll Holzscheite und stürmt an mir vorbei aufs Haus zu.
    «Jeffrey …»
    «Es ist nichts passiert», sagt er. «Ich hatte mich einfach nur verirrt.» Und nun sieht es so aus, als sei er jetzt gleich mit Weinen dran. Er geht ins Haus, und ich höre, wie er Mama anbietet, Feuer im Kamin zu machen. Ich bleibe im Hof stehen, bis ich die ersten Rauchwolken aus dem Schornstein kommen sehe. Ich weiß noch, wie sein Gesicht aussah, als er in der Nacht zwischen den Bäumen hervorgeflogen kam, verzerrt von Angst und von etwas wie Schmerz. Ich weiß noch, wie hohl sein Lachen klang, als ich ihm sagte, ich hätte Tucker gerettet, und plötzlich verkrampft sich in mir alles vor Sorge um ihn,

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