Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)
um, kratzt sich den Nacken.
«Das ist doch jetzt wohl nicht der Anfang von so einer unheimlichen Sache, wo du nachts immer mal wieder auftauchst und mir beim Schlafen zuguckst, oder?», fragt er scherzhaft.
«Wenn ich nicht bei dir bin, stirbt ein kleiner Teil von mir», flöte ich.
«Das heißt dann also ja?»
«Irgendwelche Einwände?», frage ich und ziehe eine Augenbraue hoch.
Er grinst. «Keine. Definitiv keinerlei Einwände. Ich wollte es nur wissen, damit ich in Zukunft im Bett ein bisschen mehr anziehe als nur meine Boxershorts.»
Ich werde rot. «Ach, na ja … äh, bloß meinetwegen musst du nichts anders machen», stottere ich, und er lacht und kommt auf mich zu und küsst mich wieder.
Die nächsten paar Minuten mit ihm auf dem Bett sind wunderschön. Es geht nicht wirklich zur Sache, weil Tucker diese Vorstellung hat, dass er, da ich doch Engelblut in den Adern habe, meine Ehre bewahren muss. Deshalb liegen wir einfach da und horchen auf den Atem des anderen. Ich lege meinen Kopf auf seine Brust, spüre seinen Herzschlag an meinem Ohr, und zum tausendsten Mal denke ich, dass er fraglos der beste Typ auf dem ganzen Planeten ist.
Tucker nimmt eine meiner Hände und verschränkt seine Finger mit meinen, löst sie wieder, verschränkt sie wieder. Ich mag die Haut an seinen Händen, die Schwielen an den Handflächen, Beweis für die ganze harte Arbeit, die er in seinem Leben schon getan hat, ein Zeichen für den Menschen, der er ist. So raue Hände, aber so sanft ist er immer damit.
«Und», sagt er abrupt, «erzählst du mir irgendwann mal, was in der Nacht bei dem Waldbrand passiert ist?»
So viel zu dem schönen Moment.
Ich denke, mir war klar, dass die Frage kommen würde. Trotzdem hatte ich gehofft, er würde nicht fragen, denn es bringt mich in eine blöde Situation: Es geht um die Geheimnisse anderer Leute, weil sie eng mit meinen eigenen verbunden sind.
«Ich …» Ich setze mich auf, ziehe mich von ihm zurück. Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll, bringe kein Wort heraus. So muss es für Mama sein, denke ich, wenn sie Dinge vor den Menschen, die sie liebt, verborgen halten muss.
«He, ist schon okay», sagt er und rückt zu mir. «Ich verstehe das. Streng geheimes Engelzeug. Du darfst nichts sagen.»
Ich schüttele den Kopf. Ich beschließe, dass ich nicht wie meine Mutter bin.
«Angela hat einen Club gegründet, für alle mit Engelblut», fange ich an, obwohl ich weiß, dass er mich das nicht gefragt hat.
Tucker ist dementsprechend überrascht. «Angela Zerbino ist ein Engelblut?»
«Ja.»
Er prustet. «Tja, da wird mir so einiges klar. Das Mädchen war immer schon seltsam.»
«He. Ich bin auch ein Engelblut. Willst du damit sagen, dass ich auch seltsam bin?»
«Klar», antwortet er. «Aber ich mag das.»
«Oh, aha, na dann.» Ich beuge mich vor und küsse ihn. Dann lehne ich mich wieder zurück.
«Christian ist auch ein Engelblut», sage ich, wobei ich versuche, tapfer zu sein und ihm ins Gesicht zu sehen. «Bis zu der Nacht von dem Waldbrand wusste ich das nicht, aber es ist so. Er ist ein Quartarius. Wie ich.»
Tucker reißt die Augen auf. «Oh», sagt er mit gefühlloser Stimme und sieht weg. «Wie du.»
Eine ganze Weile sagt keiner von uns etwas. Dann meint er: «Ziemlich großer Zufall, was, dass diese ganzen Wesen mit Engelblut hier in Jackson auftauchen?»
«Ganz schön überraschend auf jeden Fall», stimme ich zu. «Ob Zufall, weiß ich nicht.»
Er schluckt, und ich höre dieses leise Klicken in seiner Kehle. Ich sehe, wie gern er sich cool geben und so tun will, als ob diese Engelsache ihm keine Angst machte, als ob er nicht ständig das Gefühl hätte, einer Sache im Weg zu stehen, die weit größer ist als er selbst. Mir ist klar, dass er sich immer noch zurückziehen würde, wenn er denken müsste, dass er mich von meiner Aufgabe ablenkt. Schon setzt er das Trennungsgesicht auf. Wie zuvor schon einmal.
«Ich habe keine Ahnung, was in der Nacht hätte passieren sollen», sage ich schnell. «Aber der Waldbrand ist vorbei. Und ich mache mit meinem Leben weiter.» Ich hoffe, er hört nicht die Spur Verzweiflung aus meiner Stimme heraus, hört nicht, wie gern ich die Worte wahr werden lassen würde, einfach nur, indem ich sie ausspreche. An die Möglichkeit, dass meine Aufgabe noch hundert Jahre andauern könnte, will ich gar nicht erst denken. «Also bin ich jetzt ganz für dich da», sage ich, und die Worte klingen falsch, so schrecklich falsch, in
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