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Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Titel: Unearthly. Himmelsbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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wir einander nur an. Er hört auf zu hopsen und steht da, die Hände in den Hosentaschen. Er trägt ein Flanellhemd, eines, das ich besonders gern an ihm gesehen habe, blau kariert, was die Farbe seiner Augen betont. Auf einmal bin ich in Gedanken bei unserer letzten Begegnung vor beinahe sechs Monaten. Da ist der Yellowstone National Park und der Rand eines Wasserfalls und ein Kuss, der ein Abschied war. Es fühlt sich an, als wäre es eine halbe Ewigkeit her, und gleichzeitig, als wäre es erst gestern gewesen. Ich nehme noch seinen Geschmack auf meinen Lippen wahr.
    Er runzelt die Stirn. «Was machst du denn hier, Clara?»
    Clara. Nicht Karotte.
    Ich weiß nicht, was ich ihm antworten soll, also zucke ich mit den Schultern. «Ich war in der Gegend.»
    Er schnaubt verächtlich. «Ist deine Gegend denn nicht tausend Meilen südwestlich von hier?»
    Er klingt, als sei er wütend. Irgendetwas verkrampft sich in meinem Magen. Natürlich hat er alle möglichen Gründe, wütend auf mich zu sein. Wäre es umgekehrt, wäre ich wahrscheinlich fuchsteufelswild. Ich habe Dinge vor ihm verheimlicht. Ich habe ihn zurückgestoßen, obwohl er doch nichts anderes wollte, als für mich da zu sein. Ach ja, nicht zu vergessen, dass ich schuld daran war, dass er beinahe getötet wurde. Und ich habe Christian geküsst. Das war der Gipfel. Ich musste gehen, und sein Herz war gebrochen.
    Er reibt sich den Nacken, seine Stirn ist immer noch gerunzelt. «Nein, jetzt mal ganz im Ernst, was machst du hier? Was willst du?»
    «Gar nichts», antworte ich lahm. «Ich … bin nur durch Zufall hier. Mein Vater hat mir beigebracht, mich durch Raum und Zeit zu bewegen. Er nennt das ‹Hinübergehen›. Wie Teleportation, weißt du, wenn man hingehen kann, wohin man will. Er fand es witzig, abzuhauen, ohne mir bei der Rückkehr zu helfen, und als ich versucht habe, nach Hause, nach Kalifornien, zu kommen, bin ich hier gelandet.»
    An seinem Gesichtsausdruck erkenne ich, dass er mir nicht glaubt. «Aha», sagt er trocken. «Sonst nichts? Einfach nur Teleportation.»
    «Ja. So ist es.» Ich werde allmählich wütend, nachdem ich nun endlich den Schock, ihn wiederzusehen, überwunden habe. Da ist etwas an seinem Gesichtsausdruck, eine Art Misstrauen, das mir ganz und gar nicht passt. Das letzte Mal hat er mich nach unserem ersten Kuss so angesehen, genau hier an fast derselben Stelle, als ich vor lauter Glück in vollem Glanz erstrahlt bin und er erfahren musste, dass ich ein Wesen aus einer anderen Welt bin. Damals hatte er mich angesehen, als wäre ich kein Mensch, sondern eine seltsame außerirdische Kreatur.
    Das gefällt mir nicht.
    «Du kannst also durch die Zeit reisen, ja?», fragt er und reibt sich den Nacken. «Kannst du dann vielleicht noch mal fünf Minuten zurückgehen und mich davor warnen, dass mir gleich der Eimer mit den Hufeisen runterfallen wird? Ich glaube, ich könnte mir einen Zeh gebrochen haben.»
    «Das kann ich in Ordnung bringen», sage ich automatisch und mache einen Schritt nach vorn.
    Er weicht zurück und streckt eine Hand aus, damit ich nicht weiter auf ihn zugehe. «Mit diesem Glanz-Ding? Nein danke. Da möchte ich immer am liebsten kotzen.»
    Es tut weh, ihn das sagen zu hören. Dabei komme ich mir wie eine Missgeburt vor.
    Er hat sich also entschlossen, das gute alte Spiel zu spielen und Tucker den Idioten, den Mistkerl herauszukehren. Und was ich doppelt und dreifach daran hasse, ist Folgendes: Ich weiß, dass er weder ein Idiot noch ein Mistkerl ist, kein bisschen, aber er führt sich extra für mich so auf, weil ich ihn verletzt habe und weil er mich auf Distanz halten will und weil es ihn wütend macht, mich hier zu sehen.
    «Du hast also versucht, zurück nach Hause, nach Kalifornien zu kommen», sagt er und betont besonders die Worte nach Hause und Kalifornien . «Und dabei bist du hier gelandet. Wie konnte das denn passieren?»
    Ich begegne seinem Blick, und in seinen Augen liegt eine Frage, die offenbar eine ganz andere ist als die, die er gerade gestellt hat.
    «Pech, nehme ich an», antworte ich.
    Er nickt, bückt sich, um die verstreut auf dem Boden herumliegenden Hufeisen aufzuheben, dann richtet er sich wieder auf. «Willst du die ganze Nacht hierbleiben?», fragt er und sieht dabei aus wie der Inbegriff von Verdrießlichkeit. «Ich hab nämlich viel zu erledigen.»
    «Oh, bitte, lass dich von mir nicht von der Arbeit abhalten», erwidere ich.
    «Pferdeboxen misten sich nämlich nicht von allein aus.»

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