Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
Zugang zu allem.»
«Ja. So wechselt man hin und her zwischen Himmel und Erde, und so ist es mir möglich, von einem Ort an den nächsten zu reisen. Von einer Zeit in die andere.»
Sofort bin ich ganz aufgeregt. «Bringst du mir das auch bei? Von einer Zeit in eine andere zu wechseln?»
Mir gefällt die Vorstellung, so zusätzliche Zeit zur Vorbereitung auf eine Prüfung herauszuschlagen oder das Ergebnis des Spiels Stanford gegen Berkeley zu kennen, bevor das Spiel überhaupt angefangen hat. Oder – plötzlich habe ich einen Kloß im Hals – ich könnte meine Mutter sehen. In der Vergangenheit.
Dad runzelt die Stirn. «Nein.»
«Oh», sage ich enttäuscht. «Das ist im großen Plan wohl nicht vorgesehen, was?»
Er legt mir die Hand auf die Schulter, drückt sanft. «Du wirst deine Mutter wiedersehen, Clara.»
«Wann?», frage ich, und meine Stimme ist plötzlich ganz heiser. «Wenn ich sterbe?»
«Wenn du es am meisten brauchst», sagt er, mehrdeutig wie immer.
Ich räuspere mich. «Aber fürs Erste kann ich, wie sagtest du … hinübergehen, wohin ich will?»
Er nimmt meine beiden Hände, sieht mir in die Augen. «Ja. Das kannst du.»
«Das könnte äußerst praktisch sein, wenn ich für ein Seminar mal zu spät dran bin.»
«Clara.» Er will, dass ich jetzt ernst bin. «Das Hinübergehen ist eine lebenswichtige Fähigkeit. Und es ist gar nicht so schwer zu bewerkstelligen, wie du vielleicht denkst», sagt er. «Wir sind alle miteinander verbunden, alle und alles miteinander, alles, was lebt und atmet auf dieser Welt, und was uns bindet, ist der himmlische Glanz.»
Als Nächstes wird er über die Kraft reden, das weiß ich genau.
«Und jeder Ort hat seinen Anteil an dieser Energie. Eine Signatur, wenn du so willst. Also um von einem Ort zum anderen zu kommen, musst du zunächst eine Verbindung zu dieser Energie herstellen.»
«Glanz. Alles klar.»
«Dann musst du an den Ort denken, an den du dich begeben willst. Nicht an den Punkt auf der Landkarte, sondern an das Leben an diesem Ort.»
«Wie … wie an die großen Espen in unserem Vorgarten in Jackson?»
«Das wäre ideal», sagt er. «Streck die Hand nach dem Baum aus, nach der Kraft, die er von der Sonne bezieht, nach den Wurzeln, die sich im Erdreich ausbreiten und sich nähren, nach dem Leben in den Blättern …»
Einen Moment lang bin ich vom Klang seiner Stimme hypnotisiert. Ich mache die Augen zu, und ich sehe alles deutlich vor mir: meine Espe, die Blätter, die allmählich die Farbe verändern und abfallen, die Regung des kühlen Herbstwindes zwischen den Zweigen, das Flüstern, wenn der Wind das Laub bewegt. Schon wenn ich nur daran denke, fröstelt es mich.
«Du denkst es nicht», sagt Dad. «Wir sind da.»
Ich mache die Augen auf. Staune mit offenem Mund. Wir stehen in unserem Vorgarten unter der Espe. Einfach so.
Dad lässt meine Hände los. «Gut gemacht.»
«Das war ich? Nicht du?»
«Du ganz allein.»
«Das war … leicht.» Es schockiert mich, wie einfach es gewesen ist, eine Sache, die sich völlig unmöglich anhört: beinahe tausend Meilen im Handumdrehen zurückzulegen.
«Du bist sehr mächtig, Clara», sagt Dad. «Sogar für einen Triplar bist du bemerkenswert. Deine Verbindung zu allem ist stark und beständig.»
Da fallen mir ein Dutzend Fragen ein, die ich ihm an liebsten sofort stellen würde, zum Beispiel: Wenn das stimmt, wieso fühle ich mich dann nicht, ach, ich weiß auch nicht, religiöser? Wieso sind meine Flügel nicht weißer? Wieso habe ich so viele Zweifel? Stattdessen sage ich: «Na schön, dann lass uns weitermachen. Bring mir noch etwas bei.»
«Mit Vergnügen.» Er nimmt seinen Hut ab, zieht sein Jackett aus und legt beides sorgfältig auf das Geländer der Veranda. Dann geht er ins Haus und kommt mit Moms Küchenbesen zurück, den er, ohne zu zögern, in zwei Hälften bricht, als wäre er ein ungekochtes Stück Spaghetti. Die eine Hälfte hält er mir hin.
«He», sage ich atemlos. Ich weiß, es sollte keine große Sache sein, aber den Besen bringe ich damit in Verbindung, wie Mom durch die Küche tanzte, den Besen theatralisch hin und her schwang und dieses Lied aus dem Film Schneewittchen sang: «Wer bei der Arbeit pfeift», und das in ihrer höchsten Stimmlage. «Du hast meinen Besen zerbrochen.»
«Entschuldigung», sagt er.
Ich nehme meine Hälfte des Besens, verenge argwöhnisch die Augen, bis ich nur noch sein Gesicht sehe. «Ich dachte, es geht um Schwerter im Glanz.»
«Immer
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