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Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Titel: Unearthly. Himmelsbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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ein Schritt nach dem anderen», sagt er wieder und hebt seine Hälfte des Besens, das Ende mit den Borsten, hinter mich. Er berührt damit meine Waden, und ich mache einen Satz nach vorn. «Zuerst wollen wir mal an deiner Haltung arbeiten.»

    Er bringt mir alles über das Gleichgewicht bei, über die verschiedenen Positionen und darüber, wie ich die Bewegungen meines Gegners vorhersehen kann. Er lehrt mich, die Kraft meiner inneren Mitte zu nutzen, nicht so sehr die Armmuskeln, und wie ich die Klinge – äh, den Besen – als Verlängerung meines Körpers spüren kann. Es ist wie beim Tanzen, merke ich sehr schnell. Er bewegt sich, und ich bewege mich als Reaktion darauf, im gleichen Rhythmus wie er; ich bleibe leichtfüßig, schnell, auf den Fußballen, weiche seinen Schlägen aus, statt sie abzublocken.
    «Gut», sagt er endlich. Ich glaube, er schwitzt sogar ein wenig.
    Ich bin erleichtert, denn die Sache mit dem Kämpfen scheint sich als nicht allzu schwer zu erweisen. Ich hatte schon befürchtet, es würde so wie mit dem Fliegen sein, wobei ich eine ganze Weile total versagt hatte, aber das hier begreife ich ziemlich schnell, alles in allem.
    Ich nehme an, ich bin meines Vaters Tochter.
    «Das bist du», sagt Dad mit Stolz in der Stimme.
    Doch während ich einerseits strahle und schwitze und stolz darauf bin, dass alles so gut läuft, finde ich es andererseits ziemlich verrückt. Wer benutzt schließlich heutzutage noch Schwerter? Ich fühle mich wie in einem Theaterstück, bei einem Spiel, wie ich mich da hinterm Haus prügele und mit einem Stock auf meinen Vater einschlage. Ich habe nicht den Eindruck, dass es irgendwie gefährlich ist. Ich halte diesen Besen wie ein Schwert und möchte am liebsten in schallendes Gelächter ausbrechen, so lächerlich ist es.
    Andererseits macht mir allein schon der Gedanke Angst, dass ich tatsächlich eine Waffe schwingen und versuchen könnte, jemanden damit zu verletzen. Ich will keinem weh tun. Ich will nicht kämpfen. O bitte, ich darf gegen niemanden kämpfen müssen!
    Als ich das denke, mache ich einen falschen Schritt, und Dads Teil des Besens berührt mein Kinn. Ich sehe ihm in die Augen, schlucke.
    «Das reicht für heute», sagt er.
    Ich nicke und lasse meine Besenhälfte ins Gras fallen. Die Sonne geht unter. Es wird bald dunkel und kalt sein. Ich verschränke die Arme vor der Brust.
    «Du hast dich gut geschlagen», sagt Dad.
    «Ja klar, das sagtest du schon.» Ich drehe mich weg von ihm, stoße mit dem Fuß einen heruntergefallenen Kiefernzapfen weg.
    Ich höre ihn hinter mich treten. «Manchmal ist es schwer, der Träger eines Schwertes zu sein», sagt er ganz sanft.
    Dad ist bekannt dafür, der harte Bursche zu sein, der Typ, den man ruft, wenn irgendein wirklich übler Bösewicht einen Denkzettel braucht. Phen hat ihn als den bösen Polizisten dargestellt, wenn er über ihn sprach; wie beim Verhör, wenn ein Polizist den netten, der andere den bösen spielt; Dad ist immer der, der die Verbrecher richtig hart anfasst. Auf alten Kunstwerken ist Michael immer der Engel mit dem strengen Gesicht, der mit einem Schwert auf den Teufel einschlägt. Sein Spitzname ist der Schläger, hat Phen gesagt. Das klingt nach einem üblen Job. Aber wenn ich versuche, mich in Dads Kopf einzuschleichen, empfange ich nur Freude. Gewissheit. Eine innere Ruhe wie die Spiegelung auf der Oberfläche des Jackson Lake bei Sonnenaufgang.
    Über die Schulter werfe ich Dad einen Blick zu. «Du scheinst keine Probleme damit zu haben, ein Schwert zu tragen.»
    Er bückt sich und hebt meine Besenhälfte auf, hält beide Hälften ein paar Sekunden aneinander, dann gibt er mir den Besen an einem Stück zurück. Mir bleibt der Mund offen stehen, wie einem Kind bei einem Zauberkunststück. Ich lasse die Finger über die Stelle gleiten, an der der Besen zerbrochen war, aber es ist alles ganz glatt. Da ist nicht einmal ein kleiner Riss in der Farbe. Es ist, als wäre er gar nicht zerbrochen gewesen.
    «Ich lebe im Frieden damit», sagt er.
    Zusammen drehen wir uns um und gehen zum Haus zurück. Irgendwo in den Bäumen höre ich einen Vogel zwitschern, ein heller, schlichter Ruf.
    «Also, ich hab gerade überlegt …» Ich breche ab und versuche, den Mut aufzubringen, etwas anzusprechen, das mir im Kopf herumgeht, seit er das Wort Schwert gesagt hat. «Könnte nicht Christian gemeinsam mit uns trainieren?» Unverwandt sieht er mich an, mit neugierigem Blick, also fahre ich fort. «Er hat eine

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