Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
Mitglieder der Kongregation: Stephen, der Pastor; Carolyn, die als Krankenschwester zu meiner Mutter kam; Julia, die eine ziemliche Nervensäge ist, wenn ich ganz ehrlich sein soll, aber immerhin ist sie da; und schließlich fällt mein Blick auf Corbett Phibbs, den alten Quartarius, der auf der Highschool mein Englischlehrer war und der ganz besonders ernst wirkt; mit gefalteten Händen schaut er ins Grab. Er kann nicht allzu weit von seinem eigenen Schicksalstag entfernt sein, denke ich. Aber dann sieht er auf, blickt zu mir herüber und zwinkert mir zu.
«Amen», sagt Stephen. Die Menge der Trauernden zerstreut sich allmählich, alle wollen nach Hause, für den Fall, dass das Unwetter (es ist schließlich Dezember, und wir sind in Wyoming) zu einem Blizzard wird, doch Christian bleibt, und so bleibe ich auch.
Der Schnee, da bin ich mir ziemlich sicher, ist Billys Werk. Sie steht neben mir, und sie trägt einen langen weißen Parka, der das glänzende Schwarz ihres Haars wie über ihre Schultern vergossene Tinte aussehen lässt, und der Schnee wirbelt um sie herum, weht herunter, während sie mit einem so quälenden Schmerz in den Augen in das Loch vor uns starrt, dass in mir der Wunsch aufkommt, sie zu umarmen. Der Schnee ist ihre Art zu weinen. Es tut weh, sie so zu sehen, da sie doch normalerweise so stark und in sich ruhend ist, immer bereit, einen Witz zu machen, um die Spannung zu durchbrechen. Bei der Beerdigung meiner Mutter hat sie jedes Mal gelächelt, wenn unsere Blicke sich begegneten, das weiß ich noch, und ich hatte es als seltsam tröstlich empfunden, als wäre Billys Lächeln der Beweis dafür, dass meiner Mutter nichts wirklich Schlimmes passiert ist. Nur ein kleiner Tod, sonst nichts weiter. Ein Wechsel des Standorts.
Aber nun ist es Billys Mann.
Sie fangen an, das Grab zuzuschaufeln, und sie dreht sich weg. Ich strecke die Hand aus und berühre sie an der Schulter. Der schroffe, schmerzende Abgrund ihres Kummers öffnet sich in meinem Geist. So wenig Zeit , denkt sie. So wenig Zeit für uns alle.
Sie seufzt. «Ich muss hier weg.»
«Okay. Sehen wir uns im Haus?», frage ich. «Ich kann uns was zu essen machen.»
Sie nickt und umarmt mich, eine steife Umarmung.
«Billy …»
«Ich komm schon klar. Wir sehen uns dann später, Kleine.» Sie schreitet durch den Schnee davon, zieht eine Linie dunkler Spuren hinter sich her, und als sie weg ist, lässt der Schnee nach.
Christian schweigt, während die Männer das Grab zuschaufeln. Ein Muskel bewegt sich an seiner Wange. Ich trete näher an ihn heran, bis sich unsere Schultern berühren, und ich befehle meiner Stärke, in ihn zu strömen, so wie er an dem Tag in mich strömte, als wir meine Mutter beerdigt haben.
Ich wünschte, ich hätte Walter besser gekannt. Oder überhaupt gekannt. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir je mehr als drei Sätze miteinander gewechselt hätten. Er war ein harter Mann, immer reserviert, und er schien sich nie für mich erwärmen zu können, genauso wenig wie für die Vorstellung, dass ich mit Christians Vision zu tun hatte. Aber Christian hat ihn geliebt. Das spüre ich, Christians Liebe, seinen Schmerz, jetzt, da Walter fort ist, sein Gefühl, ganz allein auf der Welt zu sein.
Du bist nicht allein , flüstere ich in seinem Kopf.
Seine Hand spannt sich in meiner Hand an. «Ich weiß», sagt er laut, seine Stimme ist ganz heiser von den Tränen, die er zurückhält. Er lächelt und sieht mich an, seine Augen sind dunkel und rot umrändert. Er streckt die Hand aus und streicht mir Schnee aus dem Haar.
«Danke, dass du mit mir hergekommen bist», sagt er.
Ein ganzes Bündel banaler Entgegnungen kommt mir in den Sinn – bitte, gern geschehen, das ist doch selbstverständlich, das ist doch das wenigste, was ich für dich tun kann –, aber keine davon fühlt sich richtig an, also sage ich einfach: «Ich wollte kommen.»
Er nickt, schaut kurz auf die weiße Steinbank neben dem Grab seines Onkels, die der Grabstein seiner Mutter ist. Er holt tief Luft und stößt sie wieder aus. «Ich sollte auch gehen.»
«Willst du, dass ich dich begleite?», frage ich.
«Nein. Ich komme schon zurecht», antwortet er, und einen Augenblick lang schimmern Tränen in seinen Augen. Er dreht sich weg, geht los, dann bleibt er stehen und wendet sich noch einmal um. Er lächelt traurig und schaut mir direkt in die Augen. «Das wird sich jetzt seltsam und unpassend anhören, vielleicht … aber willst du mit mir ausgehen,
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