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Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Titel: Unearthly. Himmelsbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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vom Feld hinter dem Schulgelände her gerufen hat, eine Melodie, die immer wieder sagt: So bin ich jetzt, dabei war ich früher einmal so viel mehr; ich bin allein, ganz allein jetzt für immer, und ich kann nie mehr zurück, nie mehr zurück, nie mehr zurück.
    Ich leide nicht unter Verfolgungswahn. Es ist Samjeeza.
    Ich mache einen Schritt zurück und schlage die Tür in meinem Geist so heftig zu, dass ich sofort Kopfschmerzen bekomme, aber Kopfschmerzen sind allemal besser als der Kummer.
    «Was machst du hier?», flüstere ich. «Was willst du?»
    Ich weiß, ich hatte Mitleid mit ihm letztes Jahr; ja, tatsächlich. Ich hatte erfahren, wie sehr er meine Mutter mochte, auf seine verdrehte Art, und an dem Tag auf dem Friedhof tat er mir leid. Jetzt verstehe ich nicht mehr, was damals über mich gekommen ist. Ich bin einfach zu ihm rübergegangen und hab ihm das Armband meiner Mutter gegeben, und er hat es genommen und nicht versucht, uns zu verletzen, sodass wir alle wohlbehalten nach Hause gekommen sind. Aber das macht ihn keineswegs weniger gefährlich. Er ist ein gefallener Engel, im Bunde mit den Mächten der Finsternis. Bei zwei verschiedenen Gelegenheiten hätte er mich beinahe getötet.
    Ich zwinge mich dazu, gerade zu stehen, und schaue in seine großen gelben Augen.
    «Wenn du hier bist, um mich zu töten, dann mach es jetzt gleich», sage ich. «Ansonsten verschwinde! Ich habe jede Menge zu erledigen.»
    Der Vogel regt sich, und dann, ohne Vorwarnung, stürzt er los, direkt auf mich zu. Ich schreie auf, bücke mich, mache mich darauf gefasst, dass mir, ich weiß auch nicht, der Kopf vom Hals getrennt wird oder etwas in der Art, aber er saust über meine Schulter hinweg an mir vorbei, so dicht, dass er mit seinem Gefieder meine Wange streift, fliegt auf und davon, in den wolkenverhangenen Himmel.

    Ich stehe im Wohnheim vor ihrer Tür und versuche noch einmal, Angela telefonisch zu erreichen. Ich höre, wie in ihrem Zimmer das Telefon klingelt.
    Ich hämmere gegen die Tür.
    «Komm schon, Ange. Ich weiß, dass du da bist.»
    Sie macht die Tür auf. Ich dränge mich hinein, ehe sie etwas dagegen sagen kann. Ein kurzer Blick in die Runde, und ich sehe, dass ihre Mitbewohnerinnen nicht da sind. Und das ist gut, denn es wird jetzt gleich ziemlich heftig werden.
    «Also schön, was ist mit dir los?», will ich wissen.
    «Was meinst du?»
    «Was meinst du, was meinst du?», äffe ich sie nach. «Du bist ekelhaft launisch. Und das ganze Wohnheim redet davon, dass du mit Pierce das Lager teilst. Das ist der Sanitäter, du weißt schon, der Wohnheim-Doktor. Er hat sein Zimmer auf der ersten Etage. Irgendwie blonde, irgendwie kurze, irgendwie strubbelige Haare …»
    Sie wirft mir einen belustigten Blick zu, dann schließt sie die Tür hinter mir, sperrt ab. «Ich weiß, wer das ist», sagt sie mit dem Rücken zu mir. «Und ja, wir sind zusammen. Ich teile mit ihm das Lager, wenn dir die Umschreibung besser passt.»
    Mir bleibt der Mund offen stehen.
    Ich schulde Christian zehn Dollar.
    Angela stützt eine Hand in die Hüfte. Mir fällt auf, dass sie um eine ihrer Schultern einen feuchten Waschlappen geschlungen hat. Sie trägt ein Shirt in Übergröße mit Aufdruck vom Yellowstone National Park, auf dem eine Forelle zu sehen ist, das Haar hat sie zu einem langen Zopf geflochten, sie trägt weder Schuhe noch Socken, hat weder auf den Finger- noch auf den Zehennägeln Nagellack. Unter dem fluoreszierenden Licht im Raum hat ihre Haut einen bläulichen Schimmer, unter den Augen hat sie lavendelfarbene Schatten.
    «Bist du in Ordnung?», frage ich.
    «Mir geht es gut. Ich bin bloß müde, das ist alles. Ich hab die ganze letzte Nacht an der Seminararbeit über T. S. Eliot gesessen.»
    «Aber du warst nicht im Kurs …»
    «Ich hab eine Verlängerung bekommen», erklärt sie. «In letzter Zeit ist alles ziemlich verrückt gewesen, und alles kam auf einmal, sodass ich den Anschluss verloren habe. Das ganze Wochenende hab ich versucht, alles wieder aufzuholen.»
    Mit zusammengekniffenen Augen sehe ich sie an. Sie lügt, das spüre ich vage. Aber wieso?
    «Aber ist mit dir alles in Ordnung?», fragt sie. «Du guckst ziemlich wild in die Gegend.»
    «Oh, na ja, wollen mal sehen: Mein Dad ist aufgekreuzt und hat angekündigt, er will mich so lange trainieren, bis ich in der Lage bin, ein Schwert aus himmlischem Glanz zu benutzen. Denn irgendwann demnächst werde ich offenbar um mein Leben kämpfen müssen. Und, ach ja, ich

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