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Unendlichkeit in ihrer Hand

Unendlichkeit in ihrer Hand

Titel: Unendlichkeit in ihrer Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gioconda Belli
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Biegungen gewahrte, wo kaum ein Strahl des goldenen Lichts hingelangte; die mit Schmetterlingen spielenden langhaarigen Wassernixen mit den lächelnden Gesichtchen; die Vögel, die wie Adam und sie redeten, wenn sie Tiere mit menschlichem Oberkörper in ein Gespräch verwickelten; die Riesenblätter, auf deren Oberfläche sich seltsame Zeichen bildeten und wieder verblassten; die Riesenwesen, wenn sie die dicken Wolken vom Himmel pflückten und aßen; die feuerspeiende Echse mit dem Schwanz, der so lang war, dass sie ihm nachsetzte und sich darauf stürzte, als gehörte er gar nicht zu ihr.
    Im Gegensatz zu diesen schillernden, flüchtigen Visionen waren die Bilder im Fluss klar und deutlich gewesen und so wirklich, dass sie überzeugender gewirkt hatten als der Garten selbst. In dieser Schau, so dachte sie, hatte sie nicht nur mit Elohim dessen alles umschließenden Blick geteilt, sie hatte auch erfahren, von welcher Lebensfülle er, dem eigenen Willen spottend, überschwemmt wurde und zu welch unaufhaltsam überbordenden Überfluss die Schöpfung geriet und aus sich selbst heraus spross, noch ehe Elohim Gelegenheit hatte, sie zu bereuen.
    Das Schicksal der Geschöpfe würde am Ende, vielleicht durch das getrieben, was die Schlange Freiheit nannte, den Willen ihres Schöpfers überwinden und davon unabhängig leben – das musste Elohim einfach faszinieren, so groß diese Herausforderung auch für ihn war. Und das war wohl der Grund, weshalb er sie ermunterte, jene Welt ins Sein zu bringen. Die Neugier darauf, wie sich jene Wesen selbst erschufen und gegenseitig vernichteten, musste für ihn genauso unwiderstehlich sein wie für sie.
     
    Der Mann dachte bestimmt, die Schlange hätte diese Visionen verursacht, um sie zu verführen, damit sie das Verbot übertrat, von den Früchten des Baumes der Erkenntnis zu essen. Er würde ihr nicht glauben, wenn sie ihm erzählte, dass unzählige Geschöpfe nie zum Leben erweckt würden, wenn sie nicht den Mut fand, den Frieden des Gartens zu stören. Ja, sie selbst wären dann nichts anderes als der Traum eines geistreichen Träumers, der freie Wesen ersann und sie dann mit einem Bann belegte, damit sie lebten wie die Blumen und die Vögel.
    Ihre Natur weigerte sich zu akzeptieren, dass Adams und ihr Daseinszweck einzig darin bestehen sollte, sich der Kontemplation jener Ewigkeit hinzugeben – deren Frieden im Übrigen neuerdings von einer gespannten Erwartung gestört wurde, indem der Andere sie unausgesetzt mit seinen Blicken belagerte. Die Schlange täuschte sich, wenn sie glaubte, dass sie durch den Verzehr der Baumfrucht sein würden wie Elohim. Das Gegenteil war der Fall. Sie würden aufhören zu sein wie er. Sie würden sich von ihm trennen. Sie würden die Geschichte machen, für die sie geschaffen worden waren: Sie würden eine Spezies begründen, einen Planeten bevölkern, die Grenzen des Bewusstseins und des Verstandes ausloten. Eva allein konnte, indem sie von ihrer Freiheit Gebrauch machte, Elohim die Erfahrung von Gut und Böse verschaffen, nach der er sich sehnte. Er hatte sie und Adam nach seinem Bilde und ihm gleich gemacht, damit sie fortan die Schöpfung in die Hand nahmen.
     
    Eva dachte, dass Adam weder das Spiel des Anderen noch ihre Bestimmung verstehen würde, ohne zu sehen, was sie geschaut hatte. Wenn er wählen dürfte, würde er sich womöglich für die unveränderliche Fortdauer des Paradieses entscheiden. Sie würde es alleine tun müssen, sagte sich Eva.
     
    Sie ließ sich in einem Winkel am Flussbecken nieder und lauschte dem Brodeln ihrer Ideen. Zweifel und Entschlossenheit waren die beiden entgegengesetzten Strömungen, die ihr den Leib herauf und herab liefen. Als sie die Augen schloss, tauchten vor ihr die Bilder aus dem Fluss auf. Warum hatte ausgerechnet sie entdecken müssen, was sich hinter dem Verbot verbarg? Warum musste sie die Auserwählte sein, um das Trugbild des Gartens zu zerbrechen? Wer bist du, Elohim? Wo bist du? Wann zeigst du uns dein Antlitz?
     
    Sie erhob sich und lenkte ihre Schritte zur Mitte des Gartens, zum Baum der Erkenntnis von Gut und Böse, wo die Schlange gewiss schon auf sie wartete.

Kapitel 4
    E in süßliches Grinsen lag auf dem Gesicht der Schlange, als sie Eva aus dem Dickicht auftauchen sah.
    »Du bist aber schnell zurück«, sagte sie zur Begrüßung.
    »Gibt es noch andere Gärten oder ist dies der einzige?«
    Die Schlange kicherte. »Darf man wissen, wie du auf diese Frage kommst?«
    »Ich habe auf

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