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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Die Stimme verriet keine Spur von Bedauern.
    »Was ist mit meiner Frau?«
    »Girardieus Kleine? Ihr fehlt nichts. Bei ihr waren keine derart drastischen Maßnahmen erforderlich.«
    Vielleicht weil er blind war, registrierte Sylveste alle Bewegungen in seiner Umgebung sehr genau. Sie befanden sich vermutlich in einem Flugzeug und schlängelten sich durch Schluchten und Täler, um den Staubstürmen auszuweichen. Wem mochte das Flugzeug gehören? Wer war an der Macht? War Cuvier noch immer in der Hand von Girardieus Regierungstruppen oder hatte der Aufstand des Wahren Weges die ganze Kolonie erfasst? Keine der beiden Möglichkeiten sagte ihm sonderlich zu. Mit Girardieu hätte er ein Bündnis eingehen können, aber der war jetzt tot, und Sylveste war im Machtgefüge der Fluter von jeher ziemlich unbeliebt gewesen. Eine Reihe von Leuten hatte es Girardieu verübelt, dass er ihn nach dem ersten Umsturz am Leben gelassen hatte.
    Immerhin, er war noch am Leben. Und blind war er nicht zum ersten Mal. Der Zustand war ihm nicht fremd; er wusste, dass er damit fertig werden konnte.
    »Wohin fliegen wir?«, fragte er. Sie hatten ihm enge Fesseln angelegt, die ihm das Blut abschnürten. »Zurück nach Cuvier?«
    »Und wenn schon?«, fragte die Stimme. »Wundert mich, dass Sie es so eilig haben, dorthin zu kommen.«
    Das Flugzeug schwankte hin und her, dass einem übel werden konnte, und wurde auf und ab geschleudert wie ein Ruderboot auf stürmischer See. Sylveste stellte sich eine Karte der Canyon-Systeme um Cuvier vor und versuchte, die Flugbewegungen damit zu koordinieren, aber das war aussichtslos. Wahrscheinlich war er näher an der vergrabenen Amarantin-Stadt als an zu Hause, aber ebenso gut konnte er inzwischen auch an jedem anderen Punkt des Planeten sein.
    »Sind Sie…?« Sylveste zögerte. Sollte er so tun, als sei er im Unklaren über seine Lage? Er verwarf den Gedanken sofort wieder. Dazu brauchte er nicht zu schauspielern. »Gehören Sie zu den Flutern?«
    »Was glauben Sie denn?«
    »Ich glaube, Sie sind vom Wahren Weg.«
    »Eine Runde Applaus für den Mann.«
    »Und Sie haben die Macht übernommen?«
    »Alles hört auf unser Kommando.« Das klang recht großspurig, aber Sylveste war das kurze Zögern nicht entgangen. Ganz sicher ist er sich nicht, dachte er. Wahrscheinlich wussten sie nicht genau, wie weit ihr Einfluss tatsächlich reichte. Vielleicht hatte der Mann ja sogar Recht, aber vermutlich waren die Nachrichtenverbindungen auf dem Planeten schwer beschädigt, und deshalb konnte er nicht sicher sein. Er konnte sich nicht vergewissern, ob sie wirklich alles unter Kontrolle hatten. Leicht möglich, dass die Hauptstadt noch von Girardieu-Treuen oder von einer ganz anderen Gruppe besetzt war. Seine Bewacher konnten eigentlich nur in gutem Glauben handeln und hoffen, dass auch ihre Verbündeten gesiegt hatten. Was natürlich durchaus möglich war. Jemand zog ihm die Maske über das Gesicht. Die harten Kanten schnitten ihm in die Haut, aber das war erträglich, nicht mehr als eine kleine zusätzliche Unannehmlichkeit neben den ständigen Schmerzen in seinen zerstörten Augen.
    Mit der Maske zu atmen war ziemlich mühsam. Er musste sich anstrengen, um die Luft durch den Staubabscheider in der Düse zu saugen. Von jetzt an kamen zwei Drittel des Sauerstoffs in seinen Lungen aus der Atmosphäre von Resurgam und das letzte Drittel aus einem Druckbehälter unter dem Rüssel. Diese Luft war mit so viel Kohlendioxid versetzt, dass sie den Atemreflex seines Körpers auslöste.
    Er hatte kaum gespürt, wie das Flugzeug aufsetzte – erst als die Tür geöffnet wurde, war er ganz sicher, dass sie irgendwo gelandet waren. Sein Bewacher löste ihm die Fesseln und schob ihn energisch zum Ausgang, wo ihn Wind und Kälte erwarteten.
    War es da draußen Tag oder Nacht?
    Er hatte keine Ahnung; keine Möglichkeit, es festzustellen.
    »Wo sind wir?«, rief er. Die Maske dämpfte seine Stimme, er hörte sich an wie ein Schwachsinniger.
    »Wozu wollen Sie das wissen?« Die Stimme des Wärters klang nicht verzerrt. Sylveste begriff, dass er ohne Maske atmete. »Selbst wenn die Stadt zu Fuß zu erreichen wäre – was sie nicht ist – Sie könnten nicht einmal so weit laufen, wie Sie von hier aus spucken können, ohne sich umzubringen.«
    »Ich will mit meiner Frau sprechen.«
    Der Bewacher packte seinen Arm und verdrehte ihn nach hinten, bis Sylveste fürchtete, er würde aus dem Gelenk springen. Er stolperte, aber der Mann ließ ihn

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