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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Weltraumgeschützes. Auch der Sturm in Khouris Kopf – die Anomalie – gehörte dazu. Aber zu wissen, dass eine Lösung oder zumindest eine Antwort existierte – ein Gesamtbild, das alles erklärte –, half ihr keinen einzigen Schritt weiter.
    Vielleicht am meisten ärgerte sie sich darüber, dass sie selbst sich von dem Problem ablenken ließ, anstatt sich ausschließlich der unmittelbaren Krise zu widmen, die doch viel dringender war. Volyova kam sich vor, als habe sie eine frühreife Schulklasse in ihrem Kopf: jedes einzelne Kind war hochintelligent und gemeinsam wären sie zu überwältigenden Leistungen fähig – sie bräuchten sich nur zusammenzutun. Aber einige Schüler passten nicht auf; sie schauten verträumt aus dem Fenster und überhörten ihre Ermahnungen, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren, weil sie ihre eigenen fixen Ideen anregender fanden als den langweiligen Lehrplan, den sie ihnen unbedingt vorkauen wollte.
    Ein Gedanke drängte sich vor; eine Erinnerung. Sie bezog sich auf eine Reihe von Firewall-Systemen, die sie vor mehr als vier Jahrzehnten Schiffszeit installiert hatte, eine Art letzter Bastion, um im Notfall ein Eindringen zerstörerischer Viren zu verhindern. Sie hätte nie gedacht, dass sie jemals zum Einsatz kommen würden, schon gar nicht unter solchen Umständen.
    Immerhin erinnerte sie sich daran.
    »Volyova«, keuchte sie in ihr Armband und bemühte sich, ihrem Gedächtnis die einschlägigen Befehle zu entreißen. »Anti-Guerilla-Protokolle aufrufen; Schweregrad Lambda-Plus, maximale Kampfbereitschaft, Einwilligung und Zweitkontrolle als erfolgt voraussetzen, Verweigerungsunterdrückung auf volle Autonomie, Armageddon-Defaults Stufe Neun, Sicherungs-Übersteuerung Rot Eins Alpha, Privilegien des Triumvirates auf allen Ebenen in Kraft setzen; Privilegien für Nichtangehörige des Triumvirats aufheben.« Sie holte Atem und hoffte, sich mit dieser Kette von Beschwörungen genügend Türen ins Herz der Schiffsmatrix geöffnet zu haben. »Und jetzt«, sagte sie: »Programm Code Palsy suchen und starten.« Leise fügte sie hinzu: »Und mach schnell, verdammt noch mal!«
    Palsy war das Programm zur Schließung der Firewalls, die sie eingerichtet hatte. Sie hatte es selbst geschrieben – aber das war so lange her, dass sie kaum noch wusste, wozu es gut war und wie viele Bereiche des Schiffes es vermutlich beeinflussen würde. Es war ein Risiko – sie wollte so viel lahm legen, um das Weltraumgeschütz zu behindern, aber natürlich nicht so viel, dass sie sich selbst damit blockierte.
    » Svinoi , Svinoi , Svinoi …«
    Über ihr Armband liefen Fehlermeldungen, die ihr freundlicherweise mitteilten, verschiedene Systeme, die Palsy aufzurufen und außer Kraft zu setzen versuchte, seien dem Zugriff des Programms inzwischen entzogen; es habe keine Zugangsberechtigung mehr. Gesperrt waren die meisten Schiffssysteme insbesondere auf den tieferen Ebenen. Hätte Palsy richtig funktioniert, dann wäre die Wirkung auf das Schiff gewesen wie ein Schlag auf den Kopf eines Menschen – sofortige Abschaltung aller nicht lebenswichtigen Systeme, allgemeiner Zusammenbruch und eine Art Heilschlaf. Es hätte schwere Schäden angerichtet, aber hauptsächlich auf oberflächlichem Niveau und von einer Art, die Volyova hätte reparieren oder kaschieren oder für die sie Ausreden hätte erfinden können, bevor die anderen Besatzungsmitglieder erwachten. Aber Palsy hatte anders gewirkt. Das Schiff hatte, um beim Vergleich mit einer menschlichen Erkrankung zu bleiben, eher einen leichten Schlaganfall erlitten, der lediglich die äußeren Hautschichten lahmte und auch die nur zum Teil. Das passte ganz und gar nicht in Volyovas Pläne.
    Zum Ausgleich waren nun sicher die autonomen Waffen an der Außenhülle blockiert, die nicht direkt vom Leitstand aus gesteuert wurden und bereits das Shuttle gesprengt hatten. Jetzt konnte sie wenigstens diesen Schachzug noch einmal wiederholen. Natürlich war das Geschütz jetzt weiter entfernt; man konnte ihm nicht mehr so einfach den Weg versperren. Aber wenn es ihr wenigstens gelänge, ein zweites Shuttle im All auszusetzen, eröffneten sich damit ganz neue Möglichkeiten.
    Sekunden später war ihr Optimismus zu traurigen Krümeln zerfallen. Vielleicht war die Wirkung beabsichtigt, vielleicht waren in den vergangenen vierzig Jahren auch verschiedene Schiffssysteme durcheinander geraten und hatten neue Verbindungen gebildet, so dass Palsy Teile abschaltete, mit denen es

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