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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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vorausgesetzt natürlich, dass diese Prozesse noch funktionierten. Aber in den arktischen Regionen, wo es niemals regnete, bliebe der feine Staub Jahrhunderte lang ungestört liegen. Mit der Zeit würde er von anderen Ablagerungen überdeckt und ginge ein in das unveränderliche geologische Gedächtnis des Planeten. Vielleicht, sann der Triumvir, kämen in einigen Millionen Jahren Wesen nach Resurgam, die ähnlich neugierig waren wie die Menschen. Sie würden Bodenproben nehmen, um etwas über die Geschichte des Planeten zu erfahren, und dabei weit in die Vergangenheit zurückgehen. Diese Staubschicht wäre sicher nicht das einzige Rätsel, das sie zu lösen hätten, aber sie würden dennoch eine Weile darüber nachdenken. Und die hypothetischen Forscher der Zukunft würden zweifellos völlig falsche Schlüsse ziehen, was die Entstehung der Schicht anging. Wie sollten sie auch jemals darauf kommen, dass sie die Folge einer bewussten Willensentscheidung…
    Volyova hatte seit dreißig Stunden kaum geschlafen, aber sie war zurzeit von einer schier unerschöpflichen Energie erfüllt. Natürlich würde sie dafür früher oder später bezahlen müssen, aber im Augenblick fühlte sie sich wie aufgezogen, von einer Dynamik getragen, die nicht zu bremsen war. Trotzdem kehrte sie erst mit einiger Verspätung in die Gegenwart zurück, als Hegazi seinen Sitz an ihre Seite steuerte.
    »Was ist?«
    »Ich empfange eine Anfrage, die sich nach unserem Knaben anhört.«
    »Sylveste?«
    »Oder jemand, der sich für ihn ausgibt.« Hegazi sprach wie in Trance. Diese Zustände hatte er öfter, und Volyova wusste, dass er sich dann in besonders engem Kontakt mit dem Schiff befand. »Kann die Verbindung nicht zurückverfolgen. Der Anruf kommt von Cuvier, aber ich möchte wetten, dass Sylveste sich nicht physisch in der Stadt befindet.«
    Sie hob die Stimme nicht, obwohl sie mit ihm allein auf der Brücke war.
    »Was sagt er denn?«
    »Er will nur mit uns sprechen. Das verlangt er immer und immer wieder.«
 
    Khouri hörte jemanden durch den Zentimeter dicken Matsch schlurfen, der das gesamte Captainsdeck überschwemmte.
    Sie konnte nicht rational erklären, was sie hier unten eigentlich wollte. Aber vielleicht war gerade das ganz typisch: seit sie Volyova – der einzigen Person, auf die sie wirklich gebaut hatte – nicht mehr vertraute und seit die Mademoiselle sich rar machte – sie hatte sich seit dem Angriff gegen das Waffensystem nicht mehr blicken lassen – neigte Khouri zu irrationalem Verhalten. Der einzige Mensch auf dem Schiff, von dem sie sich nicht irgendwie verraten fühlte oder der sich nicht ihren Hass zugezogen hatte, war auch der einzige, von dem sie nie eine Antwort erwarten konnte.
    Sie wusste sofort, dass die Schritte nicht Volyova gehörten, aber sie klangen so zielstrebig, als wüsste der Betreffende genau, wohin er wollte, und hätte sich nicht nur zufällig in diese Schiffszone verirrt.
    Khouri erhob sich. Ihr Hosenboden war vollgesogen mit nassem, kaltem Matsch, aber auf dem dunklen Stoff war davon kaum etwas zu sehen.
    »Ganz ruhig«, sagte die Verfolgerin und kam lässig mit schmatzenden Stiefeln um die Biegung geschlendert. Ihre frei schwingenden Metallarme blitzten im Licht, die darin eingearbeiteten holografischen Muster schillerten in allen Regenbogenfarben.
    »Sudjic«, rief Khouri. »Wie, zum Teufel, hast du…?«
    Sudjic schüttelte den Kopf und lächelte verkrampft. »Wie ich hierher gefunden habe? Ganz einfach, Khouri, ich bin dir gefolgt. Als ich sah, welche Richtung du eingeschlagen hattest, war mir auch klar, wohin du wolltest. Also bin ich dir nachgegangen. Ich finde nämlich, wir beide sollten uns mal unterhalten.«
    »Unterhalten?«
    »Über die Situation hier.« Sudjic machte eine weit ausholende Geste. »Auf dem Schiff. Genauer gesagt, über das verdammte Triumvirat. Es kann dir wohl kaum entgangen sein, dass ich mit einem von den dreien noch eine Rechnung offen habe.«
    »Mit Volyova.«
    »Richtig. Mit unserer gemeinsamen Freundin Ilja.« Sudjic spie den Namen wie ein unanständiges Schimpfwort aus. »Du weißt ja, dass sie meinen Geliebten getötet hat.«
    »Ich habe gehört, dass es… Probleme gegeben hatte.«
    »Probleme? – Ha! Das ist gut. Einen Menschen in eine Psychose zu treiben ist also für dich ein Problem, Khouri?« Sie hielt inne und trat ein wenig näher, hielt aber respektvoll Abstand von der verschmolzenen Kernmasse des Captains. »Vielleicht sollte ich dich ja Ana nennen,

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