Unendlichkeit
gehen«, sagte sie nur.
Sylveste war einverstanden, doch bevor sie den Berg hinunterstiegen, stellten sie noch ungefähr die Richtung fest, aus der der Blitz gekommen war. »Wir kennen den Zeitpunkt«, sagte Sylveste. »Und wir kennen die Richtung. Wenn die Druckwelle kommt, wissen wir auch, wie weit die Explosion entfernt war. Die Ansiedlungen auf Resurgam sind noch dünn gesät, wir müssten die Einschlagstelle also finden können.«
»Sie hat den Namen des Ortes genannt«, sagte Pascale.
Sylveste nickte.
»Ich würde Volyova jede Drohung glauben, aber ich weiß auch, dass man ihr nicht vertrauen kann.«
»Dieses Phoenix ist mir völlig unbekannt«, sagte Sluka, als sie mit einem Lastenfahrstuhl hinunterfuhren. »Ich hatte geglaubt, die meisten neueren Siedlungen zu kennen. Allerdings saß ich in den letzten Jahren nicht gerade im Herzen der Regierung.«
»Sie hat sich für den Anfang sicher einen kleinen Ort ausgesucht«, sagte Sylveste. »Sonst hätte sie keinen Spielraum für Eskalationen. Wir können davon ausgehen, dass Phoenix ein weiches Ziel war; eine wissenschaftliche oder geologische Forschungsstation, nichts, wovon der Rest der Kolonie materiell abhängig gewesen wäre. Mit anderen Worten, nur Menschen.«
Sluka schüttelte den Kopf. »Menschen, von denen wir in der Vergangenheit reden, ohne sie in der Gegenwart jemals erwähnt zu haben. Als wäre der Tod ihre einzige Existenzberechtigung gewesen.«
Sylveste war übel, körperlich übel, als müsse er sich tatsächlich übergeben. Zum ersten Mal in seinem Leben wurde dieses Gefühl durch ein äußeres Ereignis ausgelöst, an dem er nicht direkt beteiligt war. So hatte er nicht einmal empfunden, als Carine Lefevre starb. Diesmal war es nicht sein Fehler – seine Fehlentscheidung – gewesen. Doch obwohl er Sluka beteuert hatte, die Besatzung würde ausführen, was sie androhte, hatte er sich innerlich an die Hoffnung geklammert, sie würde es doch nicht tun; er hätte Unrecht, und Sluka und die anderen Menschenfreunde hätten Recht. Vielleicht hätte an Slukas Stelle auch er die Warnung ignoriert, ob er sich vor dem Angriff nun sicher gefühlt hätte oder nicht. Wenn man selbst spielt, sehen die Karten immer anders aus und die Möglichkeiten verändern sich kaum merklich.
Die Druckwelle kam drei Stunden später. Inzwischen war sie kaum stärker als eine Windbö, aber auch die gehörte nicht in diese stille Nacht. Dahinter folgten Turbulenzen und Gewitterfronten wie vor einem ausgewachsenen Schmirgelsturm. Aus der Geschwindigkeit der Welle ließ sich errechnen, dass das Angriffsziel etwas mehr als fünftausend Kilometer entfernt war (das bestätigten auch die seismischen Daten); der Augenschein hatte gezeigt, dass es fast genau im Nordosten lag. Die drei zogen sich unter Bewachung in Slukas Kabine zurück, hielten sich mit starkem Kaffee wach und riefen aus den Archiven von Mantell Übersichtskarten der Kolonie ab.
Sylveste nippte nervös an seinem Becher.
»Wie gesagt, es könnte eine jüngere Siedlung sein. Sind die Karten auf dem neuesten Stand?«
»So gut wie«, sagte Sluka. »Vor einem Jahr, bevor die Lage hier zu kritisch wurde, hat das kartografische Zentrum in Cuvier die letzten Änderungen übertragen.«
Sylveste betrachtete die projizierte Karte, die Slukas Tisch bedeckte wie ein geisterhaftes topografisches Tischtuch. Sie zeigte ein Gebiet von zweitausend Quadratkilometern, groß genug, um die zerstörte Kolonie zu enthalten, auch wenn sie die Richtung nur sehr grob hatten schätzen können.
Aber Phoenix war nicht zu finden.
»Wir brauchen neuere Karten«, sagte er. »Es könnte sein, dass der Ort erst im letzten Jahr gegründet wurde.«
»Die lassen sich nicht so einfach beschaffen.«
»Sehen Sie zu, dass Sie einen Weg finden. Sie müssen in den nächsten vierundzwanzig Stunden eine Entscheidung treffen. Vielleicht die wichtigste Ihres Lebens.«
»Überschätzen Sie sich nicht. Ich bin schon so gut wie entschlossen, Sie auszuliefern.«
Sylveste zuckte so gleichmütig die Achseln, als berühre ihn das kaum. »Trotzdem sollten Sie die Fakten kennen. Sie müssen mit Volyova verhandeln. Wenn Sie nicht sicher sind, dass sie ihre Drohungen auch wahr macht, könnten Sie in Versuchung geraten, es darauf ankommen zu lassen.«
Sie sah ihn lange und eindringlich an.
»Im Prinzip bestehen über die Reste des Satellitengürtels immer noch Datenverbindungen nach Cuvier. Aber seit der Sprengung der Kuppeln werden sie kaum noch benutzt. Es
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