Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
ziemlich unbedeutend fühlen«, sagte Sajaki in diesem Moment, als habe er das Gespräch belauscht. »Und das hat durchaus seine Berechtigung. Sie sind unbedeutend. Das liegt an der Erhabenheit dieses Ortes. Wäre es Ihnen anders lieber gewesen?«
    Sylveste sah den mit geometrischen Trümmern übersäten Boden auf sich zu rasen. Der Annäherungsalarm des Anzugs schlug an. Noch knapp einen Kilometer bis zum Aufprall, dabei glaubte man den Boden berühren zu können. Sylveste spürte, wie sich sein Anzug veränderte und auf Fahrbetrieb einstellte. Noch hundert Meter. Jetzt sah er eine flache Kristallplatte genau unter sich: vermutlich ein Stück Decke von der Größe eines kleineren Ballsaals, das sich gelöst hatte und abgestürzt war. Der grelle Schein seiner Anzugtriebwerke spiegelte sich in der blanken Oberfläche.
    »Schalten Sie fünf Sekunden vor Aufprall den Antrieb ab«, sagte Sajaki. »Wir wollen schließlich nicht, dass die Hitze einen Verteidigungsmechanismus auslöst.«
    »Nein«, sagte Sylveste. »Das wollen wir ganz bestimmt nicht.«
    Er ging davon aus, dass der Anzug den Sturz abfangen würde, trotzdem kostete es ihn Überwindung, Sajakis Anweisungen zu befolgen und fünf Sekunden, bevor seine Füße das Kristall berührten, in den freien Fall zu gehen. Der Anzug blähte sich leicht und fuhr dämpfende Panzerplatten aus. Das Luftgel verdichtete sich, und für einen Moment drohten Sylveste die Sinne zu schwinden. Doch dann setzte er so sanft auf, dass er es kaum wahrnahm.
    Blinzelnd stellte er fest, dass er auf den Rücken gefallen war. Großartig, dachte er – sehr würdevoll. Der Anzug richtete sich auf. Sylveste stand wieder auf den Beinen.
    Im Innern von Cerberus.

Fünfunddreißig
    Im Inneren von Cerberus, 2567
    »Wie lange noch?«
    »Wir sind erst seit einem Tag unterwegs.« Sajakis Stimme drang dünn und wie aus weiter Ferne zu Sylveste, obwohl sein Anzug nur zwanzig oder dreißig Meter entfernt war. »Wir haben noch Zeit genug, keine Sorge.«
    »Ich glaube Ihnen«, sagte Sylveste. »Jedenfalls glaubt Ihnen ein Teil von mir. Der andere Teil ist sich nicht so sicher.«
    »Dieser andere Teil könnte ich sein«, sagte Calvin leise. »Und ich glaube nicht, dass wir genug Zeit haben. Es ist nicht ausgeschlossen, aber wir sollten uns lieber nicht darauf verlassen. Nicht, wenn man so wenig weiß wie wir.«
    »Soll das Vertrauen erwecken…«
    »Ganz und gar nicht.«
    »Dann halt den Mund, bis du etwas Konstruktives beizutragen hast.«
    Sie waren mehrere Kilometer tief in Cerberus’ zweite Schicht vorgedrungen. In gewisser Beziehung ein guter Fortschritt, hatten sie doch mehr an Höhe verloren, als die höchsten Berge der Erde aufzubieten hatten – aber immer noch zu langsam. Bei diesem Tempo kämen sie niemals rechtzeitig zurück, selbst wenn sie ihr wie auch immer geartetes Ziel erreichen sollten. Der Brückenkopf würde vor den Energien, die von den Verteidigungssystemen in der Kruste unermüdlich abgegeben wurden, schon lange vorher kapitulieren und verdaut oder wie ein Obstkern ins All gespuckt werden.
    Die zweite Schicht – das Grundgestein, auf dem die Schlangen lagen und in das die Dachstützen ihre Wurzeln geschlagen hatten – war von kristalliner Beschaffenheit und unterschied sich deutlich von den quasi-organischen Strukturen darüber. Sylveste und Sajaki hatten sich durch die schmalen Zwischenräume zwischen den dicht gepackten Kristallgebilden nach unten gearbeitet wie Ameisen, die sich ihren Weg durch die Fugen einer Ziegelmauer suchten. Es war ein mühsamer Abstieg, der an den Reaktionsmassespeichern in den Anzügen zehrte, denn jeder Schritt musste sofort durch Schubstöße abgebremst werden. Anfangs hatte Sylveste vorgeschlagen, die Monofil-Greifer zu verwenden, die von den Anzügen ausgeschleudert werden konnten (vielleicht wurden sie auch erzeugt oder extrudiert, die Einzelheiten interessierten ihn nicht); aber das hatte ihm Sajaki ausgeredet: sie hätten damit zwar Reaktionsmasse gespart, wären aber auch viel langsamer gewesen, und sie hatten noch Hunderte von Kilometern unter sich. Davon abgesehen hätten sie sich auf streng vertikale Bewegungen beschränken müssen und damit potenziellen Abwehrsystemen ein leichtes Ziel geboten. Also bewältigten sie den Abstieg meistens im Flug und hielten so oft wie nötig an, um in kleinen Mengen Cerberus-Materie aufzunehmen. Bisher hatte sich Cerberus gegen diesen Vampirismus nicht gewehrt, und die Kristalle enthielten genügend

Weitere Kostenlose Bücher