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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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irgendeinen Teil seiner Vergangenheit in einer Art und Weise sah, die für ihn nicht abträglich gewesen wäre. Stets erschien er als egozentrischer Tyrann mit Scheuklappen: ein Mann von hoher Intelligenz, der aber die Menschen um sich herum skrupellos für seine Zwecke benutzte. Dabei war Pascale mit unbestreitbarem Geschick zu Werke gegangen. Hätte Sylveste die Fakten nicht besser gekannt, er hätte die Tendenz der Biografie unkritisch übernommen. Sie trug den Stempel der Wahrheit.
    Schon das war schwer zu verkraften, unendlich viel härter traf ihn jedoch, wie viel von dieser negativen Darstellung durch Aussagen von Menschen geprägt war, die ihn gekannt hatten. Und an vorderster Front stand Calvin. Das schmerzte am meisten. Sylveste hatte Pascale nur zögernd Zugang zu seiner Beta-Simulation gewährt. Man hatte ihn unter Druck gesetzt, aber damals hatte es noch so ausgesehen, als würde er dafür entschädigt.
    »Ich möchte, dass der Obelisk gesucht und ausgegraben wird«, sagte Sylveste. »Girardieu hat mir Einblick in die Forschungsdaten versprochen, wenn ich bei der Demontage meines Charakters behilflich wäre. Ich habe meine Seite des Abkommens getreulich erfüllt. Wie wäre es, wenn sich die Regierung jetzt erkenntlich zeigte?«
    »Das ist nicht so einfach…«, hatte Pascale angesetzt.
    »Nein; aber es verursacht den Flutern auch keine allzu großen Kosten.«
    »Ich werde mit ihm reden«, versprach sie. Es klang wenig überzeugend. »Vorausgesetzt, ich darf mit Calvin sprechen, wann immer ich will.«
    Es war ein vertracktes Abkommen, das hatte er von vornherein gewusst. Aber er hatte geglaubt, es würde sich lohnen. Auf jeden Fall wollte er den Obelisken Wiedersehen, den ganzen Obelisken, nicht nur den kleinen Teil, der noch vor dem Umsturz freigelegt worden war.
    Nils Girardieu hatte erstaunlicherweise Wort gehalten. Zwar hatte es vier Monate gedauert, aber dann hatte ein Team die verlassene Grabung gefunden und den Obelisken gehoben. Sehr sorgfältig war man nicht damit umgegangen, aber das hatte Sylveste auch nicht erwartet. Es genügte, dass das Ding in einem Stück herausgekommen war. Jetzt konnte er eine holografische Repräsentation davon in seiner Zelle abrufen, wann immer er wollte, und jeden Abschnitt der Oberfläche in Vergrößerung genauer untersuchen. Der Text war verlockend; die Analyse schwierig. Die komplizierte Karte des Sonnensystems erschien ihm immer noch erschreckend exakt. Darunter – zu tief, als dass man sie früher hätte entdecken können – befand sich eine zweite, in sehr viel größerem Maßstab gehaltene Karte des ganzen Systems bis hinaus zum Kometenring. Pavonis war eigentlich ein Doppelsternsystem aus zwei Sonnen in einem Abstand von 10 Lichtstunden. Das war den Amarantin offenbar bekannt gewesen, denn sie hatten den Orbit der zweiten Sonne deutlich markiert. Sylveste überlegte kurz, warum er den anderen Stern bei Nacht noch nie gesehen hatte: selbst wenn er nur schwach leuchtete, müsste er immer noch sehr viel heller sein als alle anderen Sterne. Dann fiel ihm ein, dass der zweite Stern kein Licht mehr abgab. Es war ein Neutronenstern, eine ausgebrannte Sonnenleiche, die früher einmal heiß und blau gestrahlt haben musste. Jetzt war sie so dunkel, dass sie erst von der ersten interstellaren Sonde entdeckt worden war. Der Orbit des Neutronensterns war mit einer Gruppe unbekannter Schriftzeichen versehen.
    Sylveste hatte keine Ahnung, was die Zeichen bedeuteten.
    Damit nicht genug, fanden sich in der unteren Hälfte des Obelisken weitere Karten, die zumindest in seinen Augen andere Sonnensysteme darstellten, ohne dass er das hätte beweisen können. Wie mochten die Amarantin an die erforderlichen Informationen – über die anderen Planeten, den Neutronenstern, die anderen Sonnensysteme – gekommen sein, wenn sie keine Raumschiffe besaßen, die mit denen der Menschen zu vergleichen waren?
    Die entscheidende Frage war vielleicht die nach dem Alter des Obelisken. Die Bestimmung der Kontextschicht ergab neunhundertneunzigtausend Jahre, damit wäre er etwa tausend Jahre vor dem Ereignis vergraben worden – aber zur Bestätigung seiner Theorie brauchte Sylveste sehr viel genauere Angaben. Bei ihrem letzten Besuch hatte er Pascale gebeten, den Fund mit dem Trapped Electron- Verfahren untersuchen zu lassen. Nun hoffte er, dass sie ihm das Ergebnis mitbrachte.
    »Sie macht sich nützlich«, sagte er. Calvin streifte ihn nur mit höhnischem Blick. »Ich erwarte nicht, dass

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