Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
gehen.«
    »Ich halte mich bereit.«
    Sie nahm die Schultern zurück, trat rasch ein und stellte im Geiste sofort einen Sitzplan auf. Die Luft war immer noch von diesem widerlich süßen rosa Rauch erfüllt. Auch das Mädchen mit der Teeconax machte noch die gleichen hektischen Bewegungen. Quälend klare Töne entströmten ihrem Kortex, wurden vom Instrument verstärkt und per Fingerdruck auf dem komplexen, berührungsempfindlichen, in allen Spektralfarben schillernden Griffbrett moduliert. Die Ragamotive schraubten sich mühsam in die Höhe und zersprangen zu nervenzerreißend atonalen Passagen, als zöge ein ganzes Rudel Löwen die Krallen über rostige Eisenbleche. Volyova hatte gehört, dass man Teeconax-Musik nur schätzen könne, wenn man mit speziellen neuro-auralen Implantaten ausgestattet war.
    Sie setzte sich auf einen Barhocker und bestellte einen einfachen Wodka. In ihrer Tasche steckte eine Injektionsspritze, die sie notfalls mit einem Schlag wieder nüchtern machen konnte. Sie war darauf gefasst, dass es den ganzen Abend dauern konnte, bis die Neue auftauchte. Normalerweise wäre sie ungeduldig gewesen, aber jetzt war sie trotz der Umgebung entspannt und dabei zugleich hellwach. Sie war selbst überrascht. Vielleicht hatte man psychotrope Substanzen in die Luft geblasen, jedenfalls fühlte sie sich besser als seit Monaten, und das, obwohl sie wusste, dass sie nach Resurgam weiterfliegen mussten. Es tat gut, wieder unter Menschen zu sein, auch wenn es nur die Typen in dieser Bar waren. Minutenlang tat sie nichts anderes, als die Gesichter der Gäste zu beobachten, deren angeregte Unterhaltung sie nicht hören konnte, und sich auszumalen, was für spektakuläre Reiseberichte sie wohl austauschen mochten. Ein Mädchen rauchte eine Wasserpfeife und stieß eine dicke Rauchwolke aus, bevor sie sich über einen Witz vor Lachen ausschüttete, den ihr Gesprächspartner erzählte. Ein kahlköpfiger Mann mit einer Drachentätowierung auf dem Schädel prahlte, wie er mit ausgefallenem Autopiloten durch die Atmosphäre eines Gasriesen geflogen sei und sein schieber-konfiguriertes Bewusstsein Flussgleichungen löste, als habe er von Geburt an nichts anderes getan. In einer gespenstisch blau erleuchteten Nische war eine Ultra-Gruppe in ein hitziges Kartenspiel vertieft. Ein Mann hatte offenbar soeben einen seiner Zöpfe verloren. Seine Freunde hielten ihn fest, während der Gewinner seinen Preis einforderte und den Zopf mit einem Taschenmesser absäbelte.
    Wie sah diese Khouri eigentlich aus?
    Volyova fischte eine Karte aus ihrer Jacke, barg sie unauffällig in der Hand und warf einen letzten Blick darauf. Der Name Ana Khouri stand unter dem Foto, dann folgten ein paar Zeilen mit biografischen Angaben. In einer normalen Bar wäre die Frau niemandem aufgefallen, doch hier hätte ein so alltägliches Aussehen genau die entgegengesetzte Wirkung. Dem Bild nach zu schließen passte sie womöglich noch weniger in diesen Rahmen als Volyova selbst.
    Volyova konnte nicht klagen. Diese Khouri schien für die freie Stelle wie geschaffen zu sein. Volyova hatte sich in die Datennetze des Yellowstone-Systems hineingehackt – soweit sie die Seuche überstanden hatten – und eine Liste von in Frage kommenden Kandidaten aufgestellt. Khouri, ehemals Soldatin auf Sky’s Edge, war in die engere Wahl gekommen. Aber diese Khouri erwies sich als unauffindbar, und schließlich hatte Volyova aufgegeben und sich auf andere Anwärter konzentriert. Zwar entsprach von denen keiner genau ihren Anforderungen, aber sie hatte die Suche fortgesetzt. Als ein Kandidat nach dem anderen durch das Raster fiel, war sie zusehends verzagt. Sajaki hatte mehrfach vorgeschlagen, doch einfach jemanden zu entführen – schließlich wäre das auch nicht schlimmer, als ihn unter falschen Voraussetzungen anzuwerben. Aber eine Entführung war zu unsicher: sie garantierte nicht, dass sie am Ende jemanden hatte, mit dem sie auch zurecht kam.
    Und dann hatte sich Khouri plötzlich von sich aus gemeldet. Sie wolle Yellowstone verlassen und habe gehört, dass auf Volyovas Schiff noch jemand gesucht werde. Ihre militärischen Erfahrungen hatte sie nicht erwähnt, aber darüber war Volyova ja bereits im Bild. Khouri war sicher nur vorsichtig. Sonderbar war lediglich, dass sie erst von sich hatte hören lassen, als Sajaki – wie es die Gepflogenheiten des interstellaren Handels verlangten – den neuen Zielhafen bekannt gegeben hatte. »Captain Volyova? Sie sind es doch,

Weitere Kostenlose Bücher