Unerwartet (German Edition)
ich das Gefühl, er entgleitet mir komplett. Ich weiß nicht mehr, wie ich an ihn ran kommen soll. Es war irgendwie einfacher, als er noch der kleine Junge war, der mir jeden Abend nach der Gutenachtgeschichte seine Sorgen erzählt hat. Da konnte ich noch irgendwie alles für ihn richten. Aber jetzt? Ich muss darum kämpfen, in Kontakt zu bleiben, damit ich wenigstens sehe, mit welchen Leuten er rumhängt. Und ich will wirklich nicht die große Schwester sein, die ihm immer nur nörgelnd hinterher rennt. Aber meistens fühlt es sich so an. Und er ist erst zwölf.“
„Fast dreizehn.“ Jakob zwinkert mir zu, da Ben ihn vorhin schon darüber aufgeklärt hat. „Jetzt mal im Ernst. Ich verstehe deine Sorgen, aber er ist nun in dem Alter, wo er anfängt, sich von dir zu distanzieren.“
„Lernt man so etwas im Studium oder bist du innerlich selbst erst zwölf?“
Lachend kneift er in meinen Oberschenkel.
„Ein bisschen von beidem. Was den psychologischen Aspekt angeht, kennt Paul sich besser aus.“
„Ich werde ihm wohl mal einen Termin machen, auch wenn er nicht furchtbar begeistert sein wird.“
Ich ziehe meine Füße hoch und lege sie auf Jakobs Schoß.
„Er muss über nichts reden, was ihm unangenehm ist. Aber vielleicht ist es für ihn sogar einfacher, Fragen zu stellen, die ihm seine Schwester und seine Kumpels nicht beantworten können.“
Jakob nimmt mein Fußgelenk und fängt an, meine Fußsohlen zu massieren. Jeder weitere Gedanke entgleitet mir, als ich mich entspannt zurücklehne und wie eine Katze strecke.
„Nächste Woche bist du also alleine?“, fragt er, während er sich um meine geschundenen Füße kümmert.
„Hmm …“, seufze ich.
„Heißt das, ich hätte Chancen auf eine Einladung in deine einsame Dusche?“
„Nicht nur in meine Dusche, Jakob.“
„Das ist gut. Denn nach dieser Woche fliege ich ja erst mal nach Japan. Dann können wir vorher noch etwas ungestörte Zeit miteinander verbringen.“
„Freust du dich?“
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr. Eliana feiert ihren dritten Geburtstag, während ich da bin.“ Jakob schwelgt in Erinnerungen an seine Tochter. Obwohl ich ihm ehrlich interessiert zuhöre, kann ich nicht aufhören, daran zu denken, dass ich ihn dann für eine Woche nicht sehe.
9.
Wenn ich in der Vergangenheit einen Freund hatte, dann hat mich die Anwesenheit seiner lärmenden Kumpels massiv gestört. Bei Jakob und Paul ist das irgendwie anders, was damit zusammenhängen mag, dass mir die beiden ein ganzes Jahrzehnt voraus haben. Vielleicht aber auch, weil Paul mir beunruhigend sympathisch ist und ich ihn keinesfalls nervig und lärmend finde.
Ben ist seit gestern auf Klassenfahrt und ich muss morgen erst zur Mittagsschicht in den Coffeeshop, da meine beiden Mädels die Frühschicht übernommen haben.
Es war die beste Entscheidung, Daniela einzustellen. Sie ist eine motivierte und zuverlässige Mitarbeiterin, was bei dem Hungerlohn, den ich zahlen kann, nicht selbstverständlich ist. Zumindest hat das die Erfahrung mit vorherigen Aushilfen gezeigt.
Während ich mit meinem Kopf in Jakobs Schoß liege und einfach nur vor mich hin döse, sind Jakob und Paul in angeregte Fachgespräche über die Ziele ihrer gemeinsamen Praxis vertieft.
So entspannt war ich schon lange nicht mehr. Jakob spielt mit meinen Haaren, die ich heute ausnahmsweise offen trage.
Paul ist fast der Mund offen stehen geblieben, als er gesehen hat, dass sie mir tatsächlich bis zum Po reichen. Er scheint ein wenig in meine blonde Mähne verliebt, weswegen er mich auch Engel nennt.
Meine Lider werden schwer und ich gebe dem Drang einzuschlafen einfach nach. Bei Jakob fühle ich mich sicher und entspannt. Es tut so gut, mal für ein paar Stunden für nichts die Verantwortung zu haben.
Ich bin mir nicht sicher, was mich weckt. Mein Kopf ist immer noch in Jakobs Schoß und er spielt immer noch mit meinen Strähnen. Doch jetzt läuft irgendein Science-Fiction Film im Fernseher und Paul scheint im Sessel neben uns eingenickt zu sein. Jemand hat mir eine Decke übergelegt und meine Schuhe ausgezogen.
„Hey“, flüstert Jakob. „Ausgeschlafen?“ Liebevoll sieht er auf mich runter und streichelt mir über die Wange.
„Niemals.“ Meine Stimme ist vom Schlaf noch ganz belegt, doch das scheint eine gewisse Wirkung auf Jakob zu haben. Er rutscht unter mir hin und her, als es in seiner Hose etwas eng wird. Seine Hand wandert unter die Decke und von da direkt unter mein
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