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Unerwartet (German Edition)

Unerwartet (German Edition)

Titel: Unerwartet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Hinz
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ich ihn empört abwimmeln sollte.
    „Das musst du ihn schon selbst fragen. Ich wünsche dir eine gute Nacht.“
    Er ist im Aufzug verschwunden, bevor ich eine Chance bekomme, darauf zu reagieren.
    Gute Nacht? Wie zum Teufel soll ich jetzt bitte schlafen?

10.
     
    Um sechs Uhr am nächsten Morgen klopft Jakob leise an meine Tür. Ich höre ihn nur, weil ich kurz zuvor in die Küche geschlurft bin, um etwas zu trinken.
    Mit noch halb geschlossenen Augen öffne ich ihm, werde aber schlagartig wach, als ich sehe, in welchem Zustand er sich befindet. Er hat dunkle Ränder unter den Augen, ist blass und die Haare stehen ihm wirr in alle Richtungen ab. Seine Augen sind so rot, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen oder heftig geweint. Unsicher bleibt er im Türrahmen stehen und sieht an mir vorbei, als würden ihn der Blickkontakt mit mir endgültig überreizen.
    „Ich kann das nicht mehr“, sagt er mit rauer Stimme.
    Ich nehme seinen Arm, ziehe ihn in die Wohnung und schließe die Tür.
    „Frühstück?“, frage ich, doch er schüttelt nur den Kopf.
    „Was brauchst du dann?“
    „Dich.“ Verzweifelt sieht er endlich zu mir, berührt mich aber nicht.
    „Okay.“ Ich ziehe mein T-Shirt über den Kopf und streife meine gepunktete Schlafshorts runter. Jakob betrachtet mich von oben bis unten, doch es ist nicht so wie sonst. Zu erschöpft, um meine Motive zu hinterfragen, lässt er sich von mir ins Badezimmer schieben, wo ich die Dusche starte und ihm aus den Krankenhausklamotten helfe. Jakob folgt mir in die Dusche und zieht mich unter dem Duschstrahl in eine feste Umarmung.
    „Soll ich dir die Haare waschen?“ Zärtlich streichle ich über seinen angespannten Rücken und küsse seine Schulter.
    Als Antwort geht er vor mir auf die Knie und hält meine Hüften umschlungen, also nehme ich einen Klecks von Bens Shampoo und massiere es in seine Haare. Sofort entspannt er sich unter meinen Fingern und seufzt an meinem Bauch.
    „Er hat ihm den Kiefer gebrochen und ein Auge so schwer verletzt, dass ich …“ Ein unterdrückter Schluchzer steigt aus seiner Kehle auf, doch er fängt sich gleich wieder.
    „Oh Gott, Katharina. Wie kann ein Mensch so etwas seinem Kind antun?“
    Ich sinke zu ihm auf den Boden und ziehe ihn wieder unter den Duschstrahl, wo das Wasser seine Tränen zusammen mit dem Shampoo fortwäscht.
    Jakob setzt sich hin und schafft es, mich in der engen Duschkabine auf seinen Schoß zu nehmen.
    „Ich bin noch da geblieben, bis die Polizei kam, um ihn festzunehmen. Dieser Bastard hatte den Nerv, besorgt zu tun und war dabei noch zu dämlich, seine blutigen Knöchel abzuwischen. Ich musste mich so beherrschen.“
    „Es ist okay, Jakob.“ Mit offenen Augen küsse ich ihn, bis er endlich meinem Blick begegnet.
    „Es ist okay. Du hast nichts getan und ich kann total verstehen, dass du es wolltest.“
     
    Irgendwie schaffe ich es, den riesigen Kerl in mein Bett zu verfrachten, wo er auch gleich einschläft. Bevor die Versuchung zu groß wird, mich für ein paar Minuten neben ihn zu legen, ziehe ich mich an und gehe nach unten in den Shop.
    Daniela steht hinter der Theke und bedient gerade zwei Gäste. Freundlich lächelt sie mir zu, und da sehe ich zum ersten Mal die Ähnlichkeit zu Jakob. Es versetzt mir einen Stich. Wenn ich nicht so krankhaft realistisch wäre, dann würde ich sagen, ich vermisse ihn schon.
    „Alles gut?“, fragt sie , als ich mich an ihr vorbei schiebe, um in die Backstube zu gehen.
    „Kurze Nacht, aber sonst ja. Ich hoffe, dein Bruder kommt später zum Frühstück runter. Seine Nacht war härter als meine.“
    Daniela nickt nur und widmet sich wieder der Kaffeezubereitung. Mit einem Stapel Rechnungen und Belege verziehe ich mich an meinen Schreibtisch und lenke mich mit Papierkram ab. Die nächste Umsatzsteuervoranmeldung ist fällig, also beschäftige ich mich damit.
    Alles ist besser, als sich mit meinen Gefühlen und Pauls verwirrenden Worten auseinanderzusetzen.
     
    Ich bin so in meine Arbeit versunken, dass ich fast nicht bemerke, wie Daniela sich auf der Schreibtischkante niederlässt.
    „Kann ich dir was bringen?“, fragt sie.
    „Nein, danke. Ich hole mir gleich selbst etwas. Ist alles ruhig vorne?“
    Meine Frage entspringt reiner Neugier, nicht weil ich glaube, dass sie ihre Arbeit nicht gut macht.
    „Alles entspannt. Der zweite Ansturm ist gerade durch.“
    „Das ist gut.“
    Müde reibe ich mir die Augen, da die Zahlen schon vor mir verschwimmen. Die ersten

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