Unerwartet (German Edition)
abwenden.
„Hier bist du.“ Paul sieht über meine Schulter und legt einen Arm um mich. „Siehst du etwas, das dir gefällt?“
„Die Kette ist ganz schön.“ Ich zeige auf den Schaukasten, wo sie ausgestellt ist. „Aber ich trage eigentlich nie Schmuck.“
„Sie würde dir bestimmt gut stehen. Möchtest du sie haben?“
„Nein“, winke ich ab. „Ich würde sie zu selten tragen.“
Bevor er noch auf Ideen kommt, nehme ich seine Hand und ziehe ihn aus dem Laden.
Jakob steht bei unserer Rückkehr in der Küche und schält Kartoffeln für das Abendessen. Er informiert uns, dass Ben noch am Strand ist, wo er ein paar niederländische Jugendliche kennengelernt hat.
„Sie haben Beachvolleyball gespielt. Da habe ich ihm gesagt, dass er noch bleiben kann. Das war hoffentlich in Ordnung?“, fragt er.
„Natürlich.“ Ich schlinge meine Arme um ihn und lege meine Wange zwischen seinen Schulterblättern ab. „Er ist ja kein Baby mehr.“
Paul verstaut den Fisch im Kühlschrank und tritt hinter mich, um uns beide zu umarmen. Er legt seine Hände auf Jakobs Brustkorb und küsst mich auf den Scheitel.
„Du solltest mit ihm reden.“
Jakob legt das Schälmesser beiseite und wischt sich die Hände an einem Küchenhandtuch ab, bevor er sich zu uns umdreht.
„Paul hat mich schon gewarnt. Warum hat er beim Frühstück kein Wort gesagt?“
„Ich hab keine Ahnung. Er war sehr still, als ich mit ihm am Strand war. Ich hätte mit ihm gesprochen, aber ich denke, du solltest zuerst mit ihm reden.“
Ich finde Ben alleine hinter den Dünen. Etwa hundert Meter entfernt geht das Volleyballspiel ohne ihn weiter. Er lehnt mit dem Rücken an einem abgeschlossenen Strandkorb und schaut abwesend aufs Meer. Selbst als ich mich neben ihn setze, wendet er den Blick nicht ab.
„Bitte sprich mit mir, Ben.“
Ich lege eine Hand auf sein Knie und bin erleichtert, dass er es nicht zurückzieht.
Ben holt tief Luft und reibt sich mit den Händen durchs Gesicht. Es ist ein so erwachsener Ausdruck von Stress, der mir mal wieder klar macht, dass Ben so viel reifer ist als normale Dreizehnjährige.
„Ich bin nicht sauer, oder so was“, sagt er schließlich. „Du musst mir nur erklären, was es ist, Kati. Mir gehen viele Möglichkeiten durch den Kopf, doch keine davon macht für mich Sinn. Die meisten lassen dich nicht gut dastehen.“
„Ich hätte früher mit dir reden müssen, aber ich wusste nicht, wie ich es erklären soll. Jetzt kann ich es. Ich liebe Jakob. Und ich liebe Paul. Glaub mir, für niemanden kam das so unerwartet wie für mich. Paul und Jakob haben eine derart enge Freundschaft, die es ihnen möglich macht, mich zu keiner Entscheidung zu zwingen. Ich verstehe es, wenn das für dich befremdlich ist. Ich habe mich selbst noch nicht ganz dran gewöhnt.“
Ben sieht mich endlich an und lächelt.
„Ich hab dich schrecklich lieb und ich weiß, was du alles für mich tust.“
Das treibt mir die Tränen in die Augen.
„Ben …“, setze ich an, doch meine Worte werden von aufsteigenden Schluchzern erstickt.
„Es ist okay, Kati.“ Er legt einen Arm um meine Schulter und lehnt seinen Kopf an meinen. „Das ist verdammt unkonventionell, was ihr da habt und ich bin noch nicht ganz sicher, wie ich das finde. Ich weiß nur, dass ich dich noch nie so viel lachen gesehen habe, wie in den letzten Wochen. Wenn es Jakob und Paul sind, die das mit dir machen, dann bin ich froh. Die beiden sind in Ordnung.“
Er greift in seine Hosentasche und reicht mir ein Taschentuch.
„Sie machen mich glücklich. Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht, wie das alles weitergehen soll, aber wir wollen, dass es irgendwie funktioniert.“
„Muss ich damit rechnen, dass noch mehr Männer dazukommen?“
Mein erster Impuls ist Wut und Empörung, aber Ben hat recht. Natürlich wissen wir, dass es nicht so ist und unsere Beziehung nicht aufgrund einer Vorliebe für Orgien existiert, aber woher soll er das wissen?
„Um Himmels Willen. Ben, nein. Wir drei haben eine besondere Verbindung, sonst wäre das nie passiert. Du weißt, dass ich dich nie einer endlosen Reihe von neuen Männern ausgesetzt habe und das wird sich auch jetzt nicht ändern.“
„Was soll ich meinen Freunden erzählen?“
„Das liegt bei dir. Es ist in Ordnung, wenn du es erst einmal bei dem belässt, was sie schon wissen. Wir können es auch nicht einfach öffentlich machen, weil es Jakob und Paul in der Praxis schaden könnte. Nicht jeder versteht, was
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