Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte
nachgezeichnet hatte, und lief zusammen mit Mojtaba, Masoud und Amir zur Kantine. Es war Essenszeit.
Dort saß Madar bereits mit zwei anderen iranischen Frauen an einem Tisch. Doch weil das Amirs letzter Tag hier war, setzten wir uns ausnahmsweise zu ihm und seinen Eltern.
» Salam «, begrüßte Amir seine Eltern. Seine Mutter nickte kurz, doch sein Vater schien ihn gar nicht wahrzunehmen.
Es gab Nudeln mit einer dünnflüssigen Soße. Mir kam es vor, als gäbe es jeden Tag Nudeln oder Kartoffeln und dafür so gut wie nie Reis. Und wenn dann mal Reis gekocht wurde, schmeckte er komplett anders, als ich ihn aus dem Iran kannte. Vor allem war er so pampig, dass ich mir dann doch lieber wieder Nudeln wünschte.
Während wir dasaßen und ich lustlos in meinem Essen herumstocherte, sprach niemand ein Wort. Mir fiel das bleiche Gesicht von Amirs Vater auf, der mir gegenübersaß. So ein Gesicht hatte ich nur bei Beerdigungen gesehen. Auch meine Brüder warfen immer wieder verwirrte Blicke auf Amir und seine Eltern.
»Zumindest musst du nicht mehr jeden Tag diesen Fraß hier runterwürgen, wenn du wegziehst«, sagte plötzlich Mojtaba zu Amir und stieß ein unsicheres Lachen aus. Doch keiner stimmte in sein Lachen ein und er verstummte schnell wieder.
»Wenn Gott es will, dann glauben sie uns. Das wird schon!«, sagte endlich Amirs Mutter zu ihrem Mann.
Er schüttelte jedoch nur ungläubig den Kopf: »Ich habe von den meisten gehört, dass sie abgelehnt wurden. Wäre ich heute bloß nicht so nervös gewesen.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Gott möge uns beistehen, wenn sie uns nicht akzeptieren …«
»Sie werden uns glauben. Wir haben die Wahrheit gesagt!« Seine Frau umschloss fest seine Hände, um ihn zu trösten. Doch auch sie war der Verzweiflung nahe, denn ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Ich schaute zögernd zu Amir und erkannte, dass auch ihm nach Weinen zumute war.
Das war endgültig genug. Ich wollte nichts mehr von diesem Brief und allem, was er mit sich brachte, wissen. Ich sprang von meinem Stuhl und dachte nur daran, zu Madar zu laufen. Weil ich aber nicht nach vorne geschaut hatte, rannte ich mit voller Geschwindigkeit in einen Mann mit einem Essenstablett hinein. Laut scheppernd stürzte sein Teller auf den Boden. Der Mann, der gerade um sein Mittagessen gebracht worden war, schimpfte und fluchte. Doch ich nahm seinen Wutausbruch kaum wahr. Während Madar versuchte, ihn irgendwie zu beruhigen, stand ich wie gelähmt da. Das Gesicht von Amirs Vater ging mir einfach nicht aus dem Kopf.
MASOUD Ich starrte auf eine weiße Tür. Dahinter war der Anhörungsraum, in dem sich Madar, ein Dari sprechender Übersetzer und der Beamte, der das Interview führte, befanden. Meine Brüder saßen neben mir im Wartezimmer. Der Raum war außer den Stuhlreihen an den gräulich-weißen Wänden völlig leer. Das schwache Tageslicht schimmerte durch die Fenster und beleuchtete matt das Innere. Ich wippte still mit den Beinen, während meine Gedanken zum gestrigen Tag wanderten, an dem der lang ersehnte Brief endlich eingetroffen war.
Wir drei hatten auf der steinernen Tischtennisplatte im Hof gekauert, als Madar aus der Ferne herbeigeeilt kam. » Batscheha , seht her! Seht, was ich hier in der Hand habe! Der Brief ist endlich da!« Keuchend erreichte sie uns und setzte sich auf die Platte.
»Und was steht da drin?«, fragte Mojtaba.
» Asisam , ich konnte den Brief zwar nicht selber lesen, aber ich habe ihn einem netten Iraner gegeben, der ein bisschen Deutsch versteht. Er sagte mir, dass ich aufgefordert sei, morgen im Gebäude einer Behörde zu erscheinen, die »Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge« heißt. Dort soll ich erklären, wieso wir den Iran verlassen haben. Ich werde die Beamten davon überzeugen müssen, dass wir nicht zurückkönnen. Denn sie entscheiden darüber, ob wir in Deutschland bleiben dürfen.«
»Was?«, warf Mojtaba verdutzt ein und sprang von der Platte. »Nach all dem ist es gar nicht sicher, dass wir hier bleiben können? Wieso hast du uns das nicht früher gesagt?«
»Mach dir keine Sorgen. Das klappt schon«, versuchte Madar ihn zu beruhigen. »Ich muss nur morgen hingehen und den Beamten alles erzählen.«
»Und was passiert, wenn sie dir nicht glauben, wie bei Amirs Eltern?«, setzte ich nach und rutschte auf meinem Po unruhig hin und her.
» Asisanam , bitte, ihr braucht euch wirklich keine Sorgen zu machen.«
»Es ist vielleicht gar nicht so
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