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Unfassbar für uns alle

Unfassbar für uns alle

Titel: Unfassbar für uns alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst (-ky) Bosetzky
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Zinna.»
    «Was denn...!? Der Zinna, mit dem Sie im Clinch liegen wegen des Woerzke-Grundstücks?»
    «Der Bürgermeister, ja.»

11. Szene
Am Bahndamm
    Volker Vogeley hatte mich im Wartburg bei Schweriner abgeholt. Ich war wortlos eingestiegen. Was gab es groß zu bereden. Beim Thema Zinna wären wir uns nur wieder in die Haare geraten. Er war da hin- und hergerissen. Einerseits haßte er die ‹roten Socken›, andererseits frohlockte er darüber, daß sie den Wessis so entschieden trotzten.
    Als wir in der Bernauer Straße im Stau steckenblieben, ging ihm unsere Null-Kommunikation entschieden auf den Geist. «Ist ja ’ne schöne Adresse für die Havelland-Invest?»
    «Wieso?»
    «Da gegenüber, Berliner Straße45a, haben die Nazis das erste KZ errichtet, das ‹Schutzhaftlager Oranienburg). Auf einem stillgelegten Brauereigelände.»
    «Ah, ja...»
    «Erich Mühsam hat da gesessen... 1934 ist er über einer Latrine aufgehängt worden.»
    Ich kannte von Erich Mühsam nicht mehr als den Namen. Volker Vogeley hatte auch nie etwas von ihm gelesen, wußte aber immerhin, daß er bei der Münchener Räterepublik mitgemischt hatte.
    «... mühsam ernährte sich das Eichhörnchen...» Mehr an Assoziationen hatte ich nicht parat.
    «Was soll denn das Blödeln bei diesem Thema!»
    «Ja, ist ja gut.»
    Bis Friedrichsheide schwiegen wir.
    Es war ein Scheißtag heute.
    Als wir aussteigen wollten, kam uns der Ermordete fröhlich entgegen.
    Ich schnauzte Harry Zimia an. «Was soll denn der Quatsch...? Daß Sie ermordet worden sind...»
    «... ’n Mord...?» fragte der Bürgermeister.
    «Ja, sicher.» Volker Vogeley hatte es so am Telefon zu hören bekommen.
    Zinna schüttelte den Kopf. «Vom Rufmord hab ich was gesagt am Telefon. Das müssen die falsch verstanden haben bei Ihnen in der Zentrale.»
    «Na schön...» Ich sah aber, daß sie im selben Augenblick am Ende seines Grundstücks, am Fuß des Bahndamms, im Scheinwerferlicht einen Zinksarg bewegten. «Da ist doch aber ’n Toter... »
    «Nur ’n Skelett. Kommen Sie mal...»
    Zinna führte uns durch seinen Garten. Wir konnten uns eine ganze Weile lang nicht unterhalten, weil oben auf dem Bahndamm ein Güterzug mit gut und gerne dreißig Wagen Richtung Nordsee fuhr.
    Als er endlich vorüber war, standen wir schon an der Fundstelle und staunten. Bauarbeiter hatten mit einem kleinen japanischen Bagger einen Graben ausgehoben, um Kabel zu verlegen, und waren dabei auf ein menschliches Skelett gestoßen.
    Ich sah Harry Zinna an. «Die berühmten Altlasten, ja... Manche haben ihre Leichen im Keller, andere im Garten.»
    Er war so ernst, wie nur altgediente SED-Funktionäre ernst sein konnten. «Das ist es ja, was ich mit Rufmord meine.»
    «Sie meinen, Ihre politischen Gegner hätten hier ’ne Leiche vergraben, um sie zu diskriminieren?»
    «Leuten wie diesem Schwermer ist doch alles zuzutrauen.»
    «Nun mal Vorsicht bitte!»
    Volker Vogeley hatte in seiner frühen DDR-Zeit einmal beim großen Otto Prokop hospitiert und wagte, nachdem er das Skelett eine Weile betrachtet hatte, eine erste Diagnose. «Männlich, aber noch ziemlich jung... Rechter Arm und rechtes Bein abgehackt ...»
    Ich schüttelte mich.
    «... und nach der Verwitterung der Knochen zu schließen, zwischen vierzig und fünfzig Jahren in der Erde.»
    «Ich bin 48 Jahre alt», sagte Zinna. «Womit ich ja als Täter wohl ausscheiden dürfte.»
    «Weiß man’s...» Ich merkte, daß ich im Kampf Schwermer gegen Zinna innerlich doch für den Investment-Mann Partei genommen hatte.
    Harry Zinna stocherte mit seinem Gummistiefel in der matschigfeuchten Erde herum. «Jetzt wird die Schlammschlacht gegen mich erst richtig losgehen.»
    «Wieso?»
    «Na, weil wir das Grundstück hier seit 1928 haben. Mein Großvater schon, mein Vater...»
    «Sippenhaft ist abgeschafft.»
    «Es wird Gerede geben...»
    «Daß Ihr Vater vielleicht...» Ich wagte die Frage, was der denn von Beruf gewesen sei.
    «Nichts weiter.»
    «Irgend etwas muß er doch gemacht haben...»
    Zinna druckste herum, daß er gelernter Steinsetzer gewesen sei, sich dann aber in verschiedenen Berufen durchs Leben geschlagen habe.
    Bis es Volker Vogeley zuviel wurde. «Sagen Sie Mannhardt ruhig, was er nach ’45 gemacht hat.»
    «Da ist er bei der sowjetischen Administration beschäftigt gewesen. Und zwar im Speziallager Nr. 7. Beseitigung der angefallenen Leichen, Beschaffung von Pferdefuhrwerken...»

12. Szene
Pizzeria in Tegel
    Friedhelm Rott wurde langsam

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