Unfassbar für uns alle
Rott lief rot an. «Woher weißt du’n das...!?»
«Entschuldige, ich...»
«Ich war da nie richtig als Kunde, nur zum Recherchieren, mein Regisseur, der Drehbuchschreiber und ich. Wenn ich so eine Rolle spiele, dann muß ich doch wissen, wie das in Wirklichkeit so läuft...»
Es war eine alberne Assoziation, und ich sagte es nur des Gags wegen. «In der Spessartstraße, was...?»
Friedhelm Rott starrte mich an. «Du bist doch der Oberstudienrat für Deutsch und Geschichte...?»
«Nee, das war einer meiner Vorgänger bei Heike, der Enno, in Bramme noch, Albert-Schweitzer-Gymnasium.»
Heike lachte. «Hast du wirklich vergessen, daß Hans-Jürgen bei der Kripo ist...»
Friedhelm Rott fuhr mit dem Zeigefinger so lange den Rand seines Glases entlang, bis ein fürchterlich hoher Ton entstand. «Dann habt ihr mich also heute eingeladen, weil... Dann ist das also ’ne Falle?»
«Wieso, was redst du’n da!»
Friedhelm Rott sprang auf. «Ich hab diese Tschupsch nicht umgebracht. Ich war nur zum Recherchieren da! Ehrenwort. Sie hat mich angerufen und mich gewarnt, daß sie Lia informieren würde, wenn ich nicht aufhören würde damit. Ja, Lia ist pathologisch eifersüchtig, und sie hätte mich auch zum Teufel gejagt – aber deswegen erschieße ich doch keine Frau!»
13. Szene
Wohnung Heike / Mannhardt
Als wir nach Hause kamen, stand Yaiza Teetzmann schon abmarschfertig in der Diele. Sie war frisch verliebt und wollte mit ihrer Neuerwerbung noch in eine Disco an der Friedrichstraße.
«Euer Papst war friedlich», sagte sie.
Heike sah sie böse an. «Hör auf, von Sylvester als ‹unserm Papst› zu reden. Hans-Jürgen ist evangelisch und ich bin nichts.»
«Det is nu der Dank...» Yaiza zog sich schmollend ihre Stiefel an. «Soll ick’n Silvie nennen, wie ’n Mädchen...?»
«Wie heißt denn dein neuer lover?»
«Enrico.»
«Oh, kommt der aus Kuba?»
«Nee, aus Gransee.»
«Und so was liebt dich?»
Yaiza Teetzmann verstand die Frage nicht. «Wieso?»
«Weil doch Oranienburg neue Hauptstadt geworden ist, vom Kreis Oberhavel, und nicht Gransee. Das ist nun keine Kreisstadt mehr.»
«Det wird Enrico wenig jucken.»
«Vielleicht ist er mehr für Kreißsaal als für Kreisstadt...»
Yaiza Teetzmann stieß mir den Ellenbogen so liebevoll in den Magen, daß ein Teil meines eben gegessenen Lachses wieder nach oben schwappte.
«Mann, bist du grob!»
«Wir Ossis sind nu mal die für’t Grobe.» Sie lachte und ließ sich in den Mantel helfen.
Heike konnte es nicht lassen, investigative Journalistin zu sein. «Was macht er denn beruflich so?»
«Hat ’n Geschäft. Elektro-Pritzkoleit. Hausgeräte, Lampen, Radio, Fernsehen. Gelernt hatta richtich Elektroinstallateur.»
Ich nahm Heikes Regenschirm als Gitarre und imitierte Volker Vogeley. «Laß Enrico ran, dann gehn die Lampen an!»
Yaiza Teetzmann entriß mir den Schirm und schlug kräftig auf mich ein. Ich flüchtete und fetzte die Flurgarderobe von den Haken. Heike bekam einen hysterischen Anfall, und Sylvester nutzte die Chance, wieder aufzuwachen und aus Leibeskräften zu schreien.
Es dauerte eine halbe Stunde, bis er wieder gestillt war, und weitere 45 Minuten, ehe Heike sich umarmen ließ. Nach der Versöhnung schliefen wir vor Erschöpfung erst einmal, erwachten dann aber kurz vor Mitternacht wieder, um schlafen zu gehen. Waschen, Zähneputzen, Abschminken und dergleichen. Auf einmal waren wir zu wach, um an Schlaf zu denken, machten uns also ans Lesen. Sie hatte zu Weihnachten von ihrem Ex-Lebensabschnittsgefährten, wie sie Enno immer nannte, eine fürchterliche Schmähschrift auf die Ossis geschenkt bekommen – «Der rasende Mob. Die Ossis zwischen Selbstmitleid und Barbarei», ich hingegen las das, was sie mir zugedacht hatte-Irenäus Eibl-Eibesfeldts «Das verbindende Erbe». Das heißt, so richtig kam keiner von uns zum Selberlesen, denn pausenlos hatte einer bei sich etwas entdeckt, das er dem anderen unbedingt vorlesen mußte. Dazu lief noch der Fernseher, irgend etwas im ORB, dem Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg.
«Hier, Seite 113... Schönen Gruß an Volker Vogeley.» Heike hatte eine besonders giftige Stelle im Beitrag von Klaus Bittermann entdeckt:
Über die Nachstellungen der Stasi beklagt sich am meisten die sogenannte Opposition, die diesen Namen deshalb kaum verdient, weil sie sich hinter den Rockschößen der Kirche verschanzte und ihre Kritik ungefähr den Koffeingehalt vom ‹Wort zum Sonntag› hatte. Mitleid mit
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