Unfassbar für uns alle
dieser Sanso-Schmuseopposition... mußte man höchstens deswegen haben, weil ihre selbstgestrickte Lyrik, ihre zusammengeschusterten Klampfenstücke und ihr kryptisches Öko- und Friedensgefasel mit subversivem Gedankengut verwechselt wurde.
Ich verzog das Gesicht. «Komm, das ist gemein. Und du mußt ja auch nicht in Oranienburg deinen Dienst versehen.»
«Schleim dich ruhig rein bei denen da.»
Was sollte ich darauf entgegnen? Ich wandte mich wieder meinem Eibl-Eibesfeldt zu und vor allem dem, was mich an seinem Werk besonders interessierte: den Peniskalebassen bei den Eipo und den Mek-Leuten auf Neuguinea. Das waren über dreißig Zentimeter lange Rohre, die sich die Männer dieser Stämme über ihre Schwänze stülpten und superstolz vor sich hertrugen, mit Bindfäden an den Hüften befestigt.
«Stell dir mal vor...» ich prustete los, «das wird die große Mode des nächsten Jahrtausends bei uns. Die Schlitze an der Hose vorne bleiben offen, und wir tragen unsere Peniskalebasse vor uns her. Kohl geht auf Scharping zu – ihre Peniskalebassen kreuzen sich. Bloß – wie kann man damit S-Bahn fahren...?»
«Komm, das ist rassistisch.»
«Geh, das ist multikulturell.»
«Und das hier ätzend deutsch... Hör mal, auf Seite 115...»
Und wirklich beschleicht den fassungslosen Beobachter angesichts der dosenbierausdünstenden, aufgeschwemmten, von Jogginganzügen unzulänglich verhüllten, deformierten Fettmassen mit den signalroten Alkoholbirnen das Gefühl, daß die Stasi gar nicht so übel war. Schon aus rein ästhetischen Gründen hat sie sich zweifelsfrei Verdienste erworben, als sie die Ossis unter Verschluß hielt.
«Das ist ungerecht... zum Beispiel Yaiza gegenüber.» Ich entriß ihr das Buch, um es unters Bett zu werfen. Sie hielt es aber fest, und es entspann sich ein heißer Kampf. Er endete a tergo.
Ermattet lagen wir auf dem Rücken, und Heike nahm die Fernbedienung in die Hand, um sich durch alle Kabelprogramme zu drücken und nach einem interessanten Spielfilm zu suchen.
Der Großinquisitor von ENTER-EINS kam ins Bild.
«Weiter! Ich will nicht das Bett vollkotzen.»
Heike nahm ihn in Schutz. «Ich find es toll, wie er den Leuten die Masken runterreißt, den schönen Schein zerstört.»
«Ohne schönen Schein, kein schönes Sein.»
«Mannhardt philosophus magnus est. Kleines Latinum mit Vier.» Sie zappte weiter.
«Halt!» schrie ich.
«Was ist denn?»
«Zurück noch mal... Das war das Oranienburger Schloß mit diesem Schweriner davor...»
Sie schaffte es, und ich sah einen ORB-Reporter im Gespräch mit einem Mann, der auf die Siebzig zuging, aber noch sehr drahtig wirkte und eine ziemliche Ähnlichkeit sowohl mit Herbert von Karajan wie mit unserem Friedhelm hatte, Friedhelm Rott.
«Sie sind also aus Bethlehem, einer Stadt im Bundesstaat Pennsylvania, in den Kreis Oranienburg zurückgekommen, um hier ein neues Leben zu beginnen...?»
«...um mein altes fortzusetzen. It’s not the same thing but... Excuse me. Nach fast fünfzig Jahren. Aber mein Freund Wolfram Schwermer hier wird mir helfen, die alten Wurzeln zu finden und neue zu schlagen.» Er umarmte eine sehr amerikanisch aussehende, um vieles jüngere Frau. «Nicht wahr, Joan...»
«Viel Glück für Sie beide.» Der Reporter brachte ein warmherziges Lächeln zustande. «Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, das war Waldemar v. Woerzke, zurück in Oranienburg und bereit, in Friedrichsheide die Dinge wieder in die Hand zu nehmen. »
14. Szene
Mordkommission
Die glückliche Heimkehr des Waldemar v. Woerzke war natürlich auch am nächsten Morgen im Büro das Thema Nummer eins. Yaiza Teetzmann hatte den Oranienburger Generalanzeiger groß auf dem Tisch liegen. Die regionale Topmeldung gab es in himmelblauer Schrift:
Unfaßbar für uns alle - WW ist wieder da!
Oranienburg (bb/Bo) – Ende 1946 hatte man Waldemar v. Woerzke im ‹Speziallager Nr. 7› des sowjetischen NKWD als gestorben registriert und dem ‹Leichenkommando› zum Verbuddeln übergeben – nun kehrt er als überaus vitaler amerikanischer Geschäftsmann in seine alte Heimat zurück. «Ich habe mich damals nur totgestellt. Dann ist mir mit Gottes Hilfe die Flucht gelungen. Es war alles so entsetzlich, daß ich nur ganz weit weg wollte von Deutschland. Über England und Brasilien bin ich in die USA gelangt und habe dort ein völlig neues Leben begonnen – und zwar als William Black. Nichts sollte mich mehr an früher erinnern. Erst als die DDR
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