Unfassbar für uns alle
doch jleich so komisch vor...»
«Wieso?»
«Weil der mit so ’m ausländischen Akzent jesprochen hat...»
Ich dachte an die Fortbildung vorhin, die ‹Ikonen-Mafia›, die ‹Balalaika-Mafia›. «Russisch, ja...?»
«Nee, janz im Gejenteil.»
«Da kann ich Ihnen nicht ganz folgen...»
«Na, amerikanisch!»
Ich nickte. «Ah, ja... Und – hat der Mann seinen Namen genannt?»
«Ja, Woerzke.»
Ich zuckte regelrecht zusammen, «...was’n: der, dem das alles mal gehört hat da oben in Friedrichsheide...?»
«Ja...» Der Mann aus der Gartenkolonie guckte plötzlich ebenso verwirrt wie ich und klatschte sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. «Stimmt, ja, der is ja umjekommen in dem Russenlager damals...!»
«Sein Sohn vielleicht...?»
«Nee, der war doch ooch schon fast so alt wie icke.»
Der Mann ging auf die Siebzig zu.
«Da müssen Sie sich verhört haben.»
«Hab ick ma wohl. Kann auch sein, det der Wörtche jesagt hat oda Wörtzel...»
Er dachte mit geschlossenen Augen nach, versuchte sich zu erinnern und probierte weiter. «Doch eha wat mit -ke hinten: Knörzke, Mörzke... In die Richtung so...»
Seine Frau schaute aus einem der Häuschen, um zu sehen, wo er mit ihrem Enkel blieb und bekam noch mit, worüber wir da rätselten.
«Der Würzke wird detjewesen sein», sagte sie. «Detis ’n Schwager von der Frau Trute hier, der wohnt in Detroit und wollte mal kommen, jleich im neuen Jahr. Würzke, ja. Mein Männe hört ’n bißchen schwer...» Sie küßte ihn liebevoll auf die schlecht rasierte Backe. «Rainer Würzke, ja.»
Würzke, damit war die Sache auch geklärt. Ich fragte sie noch nach dem Mann in der gelben Jacke beziehungsweise Hackenow, doch sie wußte auch nicht mehr.
Zeit für mich, den beiden Dankeschön zu sagen und mich auf den Weg zur Havelland-Investment GmbH zu machen und Wolfram Schwermer auf den Zahn zu fühlen.
10. Szene
Büro Havelland-Investment GmbH
Ich hatte mich auf Schwermer schon eingeschossen, bevor ich sein Büro betrat. Schwein, arrogantes Arschloch, sicherlich einer dieser akademischen Kaufleute oder Betriebswirte, die zum Scheißen zu dämlich waren und sich ihre Diplomarbeiten für 10000 Mark von anderen schreiben ließen. Dann in eine Firma eingetreten, die Staat und Bürger ausnahm bis zum Gehtnichtmehr, laufend Gesetze beugte und verletzte und dabei die Millionen machte. Man hatte gute Anwälte, man kaufte Journalisten und Politiker, Staatsanwälte, Polizisten und Finanzbeamte, Schläger und womöglich auch noch Killer. Welche, die dann auf die Tschupsch angesetzt wurden.
So jedenfalls hatte ich mir Wolfram Schwermer vorgestellt. Wie ich ihn von der Diskussionsrunde mit Bürgermeister Harry Zinna kannte. Doch ich mußte mein Bild sehr bald korrigieren. Der Mann hatte Lebensart. Schon seine Sekretärin war eine Augenweide. Genau von der Art, wie sie bei den Spiel-Shows immer über den Bildschirm flatterten, in hochhackigen Schuhen, knappen Röcken, schwarzen Strumpfhosen. Wo man nur die Hände in den Schoß legen mußte, um alles zu haben. Auch ohne virtuelle Handschuhe und den ganzen Cyberspace-Kram.
Sie hieß Morina, und ich hörte Wolfram Schwermer schon fragen: ‹Okay, Mannhardt, ich hab Luise Tschupsch erschossen, aber Sie werden es vergessen, wenn Sie eine Nacht mit ihr zusammen waren...?›
Wahrscheinlich hätte ich ja gesagt, aber er fragte nicht. Aber auch das, was er mir statt dessen bot, machte mich high.
«Haben Sie Lust, ’ne Partie Billard zu spielen? Ich hab gerade keinen Partner. Morina kommt mit einem Queue nicht klar. Oder sind Sie zu sehr im Dienst...?»
«Schon...»
«Na, als bürgernaher Beamter, da sollten Sie wirklich nicht derart formalistisch sein.»
Ich merkte, daß er sein Handwerk verstand. Andererseits: So viele Dienstjahre und Fortbildungsveranstaltungen hatte ich nun auch schon hinter mir, um zu durchschauen, was er da wollte.
«Na, schön... Wenn’s denn der Sache dient.»
Er hatte einen Tisch in seinem Sitzungszimmer stehen. Kein Pool-Billard, sondern ein klassisches Karambol-Spiel. Schon hatte ich die Bälle hingelegt. Klar, so begann es immer mit der Korruption von Menschen. Einschleichend. Trotzdem ließ ich mich auf alles ein. Wenn die Großen es im großen Maßstab taten, warum nicht die Kleinen im kleinen. Das war die sogenannte «Theorie der Rechtfertigungstechniken» von Sykes und Matza. Man neutralisierte seine Stör- und Schuldgefühle auf ganz bestimmte Art und Weise. Ich wußte das alles, ich war
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