Unfassbar für uns alle
fragte Volker Vogeley.
«Ach ja...» Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. «Gleich wird einer meiner Favoriten hier auftauchen, ich hab ihn für elf Uhr herbestellt: unseren Großinquisitor von ENTEREINS.»
«Diese elende Kreuzung von Dschingis-Khan und einem Schwein!» Volker Vogeley haßte ihn.
Yaiza Teetzmann konnte sich gar nicht halten vor Begeisterung. «Mann, det is meine Lieblingssendung und ick hab ma ooch beworben. Kann ick’n ja gleich mal ’n bißchen anmachen...»
«Er soll eine Frau haben, die furchtbar streng zu ihm ist und einen mächtigen Skandal vom Zaune brechen wird, wenn sie’s erfährt. Das überlebt er nicht.»
«Dann sag ich’s ihr, wenn’s die Tschupsch nicht schon getan hat.»
Ich sah Volker Vogeley warnend an. «Datenschutz, du...»
«Ich hab bei meiner Übernahme den heiligen Eid geschworen, das Grundgesetz aktiv zu verteidigen. Wie heißt es da im Artikel 1, erster Absatz: ‹Die Würde des Menschen ist unantastbar.› Und was macht dieses Schwein: Er tastet sie dauernd an und zieht sie in den Schmutz.»
Yaiza Teetzmann brachte das Grundgesetz auf den neuesten Stand: «‹Die Würde des Menschen ist unantastbar – aber nur bis zu einer Summe von 10000 Mark.› Und da liegta doch aba weit darüba.»
Wir legten nun gemeinsam fest, wer wann was und wo tun sollte. Volker Vogeley und Yaiza Teetzmann sollten in der Nähe des Tatortes die Leute befragen, ob sie den Mann mit Schirm und BMW gesehen hätten. Ich selber sollte im Büro bleiben und auf den Großinquisitor warten.
Was ich dann auch tat. Als zur festgelegten Zeit die Tür aufging, war es aber lediglich mein Chef.
Koppatz schien nicht die beste Laune zu haben. «Wir müßten uns einmal über Ihre nächste Beurteilung unterhalten...»
Ich fand es zum Kotzen, daß ich in meinem Alter und als mehrfacher Vater und Großvater noch ebenso Zensuren bekam wie ein Erstkläßler. Trotz meiner Kompetenz, trotz meiner Erfolge in all den Dienstjahren. Ein Scheißsystem diese Polizeibürokratie, wie sie einen immer wieder demütigen und kleinhalten mußte. Und dazu noch dieser Koppatz, dieser Mielke-Knecht und Honecker-Zujubler... Ich riß mich zusammen. «Unterhalten wir uns ...»
«Sie kennen ja Ihre Schwachpunkte...»
«Daß ich zu kritisch, zu linkslastig und zu selbständig bin...?»
«Daß Sie es einfach nicht schaffen, mit Ihren Vorgesetzten konfliktfrei zu kooperieren.»
Es war ihm anzumerken, daß er in Westberlin und Nordrhein-Westfalen etliche Fortbildungsveranstaltungen besucht hatte. Es zerriß mich fast vor Wut und Haß. Er hatte den Posten bekommen, der eigentlich mir zugestanden hätte, war Kriminalrat geworden, obwohl er eigentlich ins Gefängnis gehört hätte. Der Giftliste für die Stasi wegen. Und spielte sich nun auf als einer, der turmhoch über mir stand. Ich konnte nicht anders als zurückzuschlagen. «Wenn Sie das bemängeln... das könnten wir ja gleich mal ändern.»
«Was?»
«Na, das mit der mangelnden Kooperationsbereitschaft meinerseits ...»
«Was meinen Sie’n damit...?»
«Ich meine damit, daß wir beide ganz, ganz eng zusammenarbeiten ... Was Ihre Frau betrifft...»
Koppatz nahm sein Tempotaschentuch heraus und schnaubte hinein. «Was hat denn Kirsten damit zu tun?»
«Sie würde sicherlich nicht sehr glücklich darüber sein, daß Sie so oft in der Spessartstraße waren, im ‹Club Dionysos›... Der Ehebruch, die AIDS-Gefahr...»
Er schwieg. Ich starrte aus dem Fenster und erinnerte mich dabei an ein Lied, das Volker Vogeley des öfteren gesungen hatte: ‹Bild dir nur nichts ein, bild dir nur nichts ein – früher oder später wirst auch du ein Schwein... ›
«Wie kommen Sie’n darauf...?» Koppatz schien ganz ruhig zu sein, gefährlich ruhig.
«Der Mordfall Tschupsch. Der Geschäftsführer braucht ein Alibi von einem seiner... von Ihnen.»
Wieder überlegte mir Koppatz viel zu lange. Offenbar mußte er viele Züge bedenken. Vielleicht gehörte er selber zur Schwermer-connection.
«Gut», sagte er schließlich. «Das mit dem Alibi geht in Ordnung – und das mit Ihrer Beurteilung auch.»
Er ging, ohne mich noch einmal anzusehen. Ich hatte wenig Freude an meinem Triumph.
Wenig später tanzte auch der Großinquisitor an. Vom Bildschirm her kannte ich ihn nur in der Verkleidung des Scharfrichters, des Henkers, maskiert also, und trotz unserer kurzen Begegnung beim Pinkeln in Friedrichsheide hatte ich irgendwie fest damit gerechnet, daß er live fett und
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