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Unfassbar für uns alle

Unfassbar für uns alle

Titel: Unfassbar für uns alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst (-ky) Bosetzky
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an, dann gehen wir ein bißchen spazieren.»
    Er schien mich nicht gerne bei sich im Haus zu haben. «Okay, ich warte da vor der Klosterruine...»
    Wer als Fontane-Fan nach Lindow kam, für den war dieses Kloster ein Muß. Schließlich hatte Adelheid, die Halbschwester des legendären Dubslav von Stechlin, als Domina das Damenstift Kloster Wutz geleitet – für Fontane eine Horrorfigur. Woldemar (dieser mit o), ihr Neffe, bemängelte an ihr ‹das märkisch Enge, das Mißtrauen gegen alles, was die Welt der Schönheit oder gar der Freiheit auch nur streifte). Hätte auch noch gut in die SED-Zeit gepaßt, die Dame. Das Städtchen selbst hatte Fontane geliebt.
    «Lindow ist so reizend wie sein Name», hatte Fontane geschrieben und vom Wutz-, früher Klostersee geschwärmt: «Wie seh ich, Klostersee, dich gern! / Die alten Eichen stehn von fern, / Und flüstern, nickend, mit den Wellen. / Und Gräberreihen auf und ab; / Des Sommerabends süße Ruh / Umschwebt die halbzerfallnen Grüfte.» Das hatte ich doch neulich erst gelesen... Ah, ja, im Schloßhotel Friedrichsheide beim Warten auf William Black.
    Die Eichen flüsterten auch heute wieder mit den Wellen, obwohl es Winter war und ein eisiger Ostwind vom See her wehte, drei, vier Kilometer über die offene Fläche.
    Ein Jogger in papageienbunter Kleidung schnaufte vorüber, streifte mich fast. Ich sprang zur Seite. Komisch. Der hatte doch in dem roten Audi 80 gesessen, der mir schon in Oranienburg aufgefallen war. Und in Löwenberg, etwa zur Hälfte der Strecke, hatte er mich überholt. Verfolgungswahn? Oder hatte es wirklich jemand auf mich abgesehen? Die Schwermer- / Woerzke-connection?
    Ich ging über den Parkfriedhof, suchte im Gestrüpp nach den verwitterten Steinen der Stiftsdamen und guckte mir die Mauerreste von Kirche und Refektorium an. Aus und vorbei mit aller Herrlichkeit. Auch den Seinen nahm’s der Herr im Schlafe.
    Gerhard Uhlig war endlich winterfest gekleidet, und wir machten uns an die Umrundung des Sees. Es ging auf einem Knüppeldamm durch sumpfiges Gelände. Ein ungutes Gefühl hatte ich schon, denn irgendwie war Uhlig für mich der Prototyp eines Stasi-Majors.
    Zugleich hatte ich aber auch Volker Vogeley im Ohr mit seinem Opus 81: ‹ Wenn ich das höre, tut’s mir in der Seele weh: Klischee, Klischee... !›
    Uhlig machte den Eröffnungszug. «Sie werden sich wundern, warum ich Sie angerufen habe...?»
    «Nach so vielen Dienstjahren wundert mich überhaupt nichts mehr...»
    «Ich bin tatsächlich mit Waldemar v. Woerzke und Luise Tschupsch zur Schule gegangen.» Er schilderte mir das mit Einzelheiten, die wirklich überzeugend waren. «Und daß Luise bei uns in Oranienburg ermordet worden ist, das ist mir schon sehr nahe gegangen... Obwohl wir nie wieder etwas miteinander zu tun gehabt hatten, seitdem. Zu dem Klassentreffen, das von der Ingeborg Bücknitz organisiert worden ist, konnte ich leider nicht hin.»
    Ich wollte mich langsam an seine Biographie herantasten. «Sie hatten beruflich immer in der DDR zu tun...?»
    «Ja...» Uhlig brauchte zwanzig, dreißig Meter Bewegung, ehe er weitersprach. «Ich war dabei, als Wilhelm Pieck am 2. September 1945 in Kyritz die Bodenreform ausgerufen hat. ‹Fort mit Feudalherren und Junkertrug, das Land kommt unter Bauernpflug. Junkerland in Bauernhand!›»
    Ich war noch sehr vorsichtig. «Und nun sind Sie empört darüber, daß der Herr v. Woerzke alles wiederhaben will...?»
    «Das könnte ja noch angehen, das wäre immerhin noch der berühmte ‹formal korrekte Unrechtsakt›... Aber nicht einmal das scheint mir hier gegeben.»
    «Wieso?»
    «Weil dies nicht mein alter Klassenkamerad Waldemar ist, sondern ein ganz anderer, den die Geier aus dem Westen aus dem Hut gezaubert haben.»
    Ich blieb unwillkürlich stehen. War ich also nicht der einzige, der da eine Ahnung hatte. Irgendwie war ich aber auch enttäuscht darüber, daß auch andere so klug und clever waren und ließ daher ein spontanes, abwertendes Lachen hören: «Der Müllersbursche Jakob Rehbock aus Niemegk, was...!?»
    Uhlig fühlte sich dadurch offenbar in hohem Maße verletzt und ließ die Deckung fallen. «Ich war lange genug der ‹Genosse 1. Kreissekretär›, um meine Leute zu kennen. Dieser angebliche Waldemar v. Woerzke ist kein anderer als der ehemalige DDR-Bürger Werner Wolmir aus Oranienburg.» Er holte einen kleinen Zettel aus der Tasche. «Geboren am 14. 2.1929 in Friedrichsheide. Gelernter Bankkaufmann. Bis Mai 1961

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