Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unfassbar für uns alle

Unfassbar für uns alle

Titel: Unfassbar für uns alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst (-ky) Bosetzky
Vom Netzwerk:
beschäftigt bei der Sparkasse in Oranienburg, dann Flucht nach Westberlin. Eröffnung einer Wechselstube in der Badstraße im Wedding. Nach Errichtung des ‹antifaschistischen Schutzwalles) Überwechseln in das Antiquitätengeschäft. Zeitweilig große Gewinne und Eröffnung einer Filiale in New York, dann aber steiler Abstieg und Konkurs. Erhebliche Altschulden. Wohnsitz seit 1987 in Hannover-Kirchrode. Tätigkeit als Reisevermittler, aber ohne großen Erfolg. Gelegentlich Aufenthalte in den USA. Verdacht der Tätigkeit für CIA und / oder BND. Bei Einreise in die DDR stets besondere Beobachtung. » Damit war Uhlig am Ende seiner Auflistung.
    «Und woher wissen Sie das alles...?» Es war eine zugegebenermaßen blöde Frage, aber ich mußte sie wohl stellen und auch selber beantworten. «Der Segen der Stasi, ich weiß ...»
    Der Jogger kam uns nun entgegen, und wir mußten ein Stückchen zur Seite treten. Ich sah ihm hinterher. So als hätte er hinten auf dem Trainingsanzug den Namen seines Mafia-Clans mit großen Lettern aufgeklebt.
    Uhlig ging nun wieder schneller. «Ich will mich nirgends mehr einmischen, um mein bißchen Rente und das meiner Frau nicht auch noch zu gefährden... Darum meine Bitte an Sie, daß das, was ich Ihnen da eben gesagt habe, nicht auf mich zurückgeführt werden kann. Aber schweigen zu allem: nein.»
    «Ich danke Ihnen, Herr Uhlig, daß Sie mir da... Sie kennen ja die Geschichte vom ‹Falschen Waldemar›, den historischen Fall, und da ist ja bis heute auch nicht alles klar. Ich bin auch schon selber auf den Gedanken gekommen, daß Woerzke nicht echt sein könnte, ich hab schon mit ihm gesprochen. In Friedrichsheide. Weil ja Luise Tschupsch, seine große Liebe von damals, genau einen Tag vor seiner Rückkehr ermordet worden ist...»
    «Eben!» rief Uhlig. «Sie hätte ihn ganz sicher identifizieren beziehungsweise überführen können.»
    «Meinen Sie nicht, daß Sie das ebenfalls könnten?»
    Uhlig zögerte einen Augenblick. «Ich soll mit Wolmir...?»
    «Mit Wolmir, ja. Bei mir privat heißt er William Black, aber... Sie könnten ihn ganz zufällig treffen...»
    «Ich habe mich für den Rest meines Lebens verkrochen. Eine Schnecke, die ihr Haus nicht mehr verläßt. Tut sie es, wird sie nur zertreten.»
    «Schnecken zertritt man im allgemeinen mitsamt ihrem Haus.»

22. Szene
‹Seeblick Lehnitz›
    Nun nicht gerade mit klopfendem Herzen, aber doch mit einiger Spannung öffnete ich die Tür des Restaurants. Erst war der Wirt zu begrüßen und der Schnee von Kapuze und Jacke zu entfernen. Ich hatte meinen Wagen in der Nähe des S-Bahnhofs Lehnitz geparkt und beschlossen, die anderthalb Kilometer bis zum Restaurant ruhig zu Fuß zu gehen, größtenteils direkt am See entlang. Es war zwar ein naßkalter Wintertag, und bei einer Temperatur von knapp unter Null war hin und wieder mit Schneeschauern zu rechnen, doch nach einem langen Vormittag im Büro schien mir das eine angenehme Alternative zu sein. Außerdem war ich eine halbe Stunde zu früh.
    Nun denn... Ich warf einen prüfenden Blick in den langgestreckten Gästeraum. Nur zwei der vielen Tische waren besetzt. Und an einem saß in der Tat William Black (?) bzw. Waldemar v. Woerzke (?) bzw. Werner Wolmir (?) – neben Gerhard Uhlig und seiner Frau (?) Joan (?). Uhlig hatte mich vor zwei Stunden im Büro angerufen und mir gesagt, daß er sich bei (unserem falschen Waldemar) gemeldet und sich mit ihm um 13 Uhr im «Seeblick Lehnitz» verabredet habe. Ob ich nicht ganz zufällig auch vorbeikommen wollte? Aber selbstredend. JVleine (Hausaufgaben) hatte ich inzwischen gemacht, das heißt, bei allen möglichen Landeseinwohnerämtern nach Werner Wolmir geforscht. Stets mit demselben Ergebnis: unbekannt verzogen. Eines aber stand jedenfalls fest: Es gab einen Menschen dieses Namens, der 1928 in Friedrichsheide bei Oranienburg zur Welt gekommen war. Insofern hatte Uhlig mir keinen Bären aufgebunden. Und auch Uhligs Vita selber war keine Legende. Daß er sich nun doch entschlossen hatte, aus seinem Schneckenhaus zu kommen und dem (Amerikaner) (?) auf den Zahn zu fühlen, war ihm hoch anzurechnen. Er riskierte immerhin, daß sich einige Bürgerrechtler wieder für ihn interessierten und in aller Öffentlichkeit gefordert wurde, ihm als ‹Systemverbrecher› die Rente zu entziehen. Oder fühlte sich die (alte Garde) schon wieder stark genug, in die Offensive zu gehen? Wahlen standen an, und wollte man mit dieser Sache auf Stimmenfang gehen?

Weitere Kostenlose Bücher