Ungeahnte Nebenwirkungen
gemacht, Menschen entsprechend ihrer Sternzeichen zu charakterisieren und nicht selten, sie auch zu katalogisieren, in Schubladen zu stecken, aus denen es dann kein Entrinnen mehr gab.
Nicole stand diesen Persönlichkeitsbildern eher skeptisch gegenüber, obwohl sie sich manchmal auch dabei erwischte, wie sie dachte ›Typisch Stier!‹ oder eben ›Typisch Fisch‹. Letzteres löste bei ihr noch immer ein leichtes Frösteln aus, denn inzwischen war sie sich sicher, dass sie unter keinen Umständen je wieder mit diesem Sternzeichen in Berührung kommen wollte. Sie schalt sich aber auch gleichzeitig für ihre Vorurteile, doch Amanda hatte ihr ziemlich zugesetzt.
Schützen standen im Ruf, sehr wissbegierig und philosophisch veranlagt zu sein. Auch das Fernweh und die Reisefreudigkeit, die Mirjam an den Tag legte, und der rastlose Geist und die Ungeduld, wenn Nicole bei einer Diskussion wieder mal auf der Leitung stand und einfach nicht zu begreifen schien, passten perfekt zu diesem Sternzeichen. Mirjam war in der Vergangenheit oft über das Ziel hinausgeschossen, das gab sie selbst inzwischen auch zu, doch sie meinte, das sei verständlich, da sie ihre Ziele eigentlich gar nicht kenne.
Diese etwas absurde Logik verblüffte Nicole, die von ihrer Art her eher bodenständig und sehr realitätsnah war. Was sie nicht ergründen konnte, nicht mit ihrem gesundem Menschenverstand zu erklären vermochte, ließ sie im Raum stehen, schob es etwas zur Seite, damit es ihr nicht die Sicht auf die wichtigen Dinge verstellte und wandte sich etwas anderem zu.
Nicoles Leben funktionierte bestens auf diese Weise. Sie sah auch gar keine Veranlassung, daran etwas zu ändern. Im Gegenteil, sie verfuhr nach bewährtem Rezept und überlegte sich, wie sie Mirjam an ihrem Geburtstag überraschen könnte. Sie wusste, dass Mirjam über einen ziemlich exquisiten Geschmack verfügte. Nicole würde sich also etwas Ausgefallenes, etwas wirklich Besonderes einfallen lassen müssen, um sie zu begeistern. Vielleicht könnte ihr Schwägerin Alice weiterhelfen.
»Schön, dass du dir für mich Zeit nehmen konntest«, begrüßte Nicole Alice, die sich mit etwas abgehetztem Gesichtsausdruck auf dem Stuhl gegenüber niederließ.
Alice lächelte sie an, bestellte beim diensteifrig herbeigeeilten Kellner einen Cappuccino und lehnte sich aufseufzend zurück.
»Echt, Nicole«, begann sie, »könntest du nicht ein wenig auf Mirjam einwirken? Ralf braucht wirklich Verstärkung in seiner Praxis. Seine Schwester wäre ideal als Partnerin, und da sie offenbar in der Stadt bleiben will, könnte sie doch bei ihm einsteigen!«
Nicole kannte das Thema nur zu gut. Sie wusste, dass Ralf krampfhaft nach einem Zahnarzt oder einer Zahnärztin suchte, um seine Praxis endlich in ein Gemeinschaftsunternehmen umzuwandeln.
Mirjam allerdings hatte sich bis jetzt nicht zu einer Zusage durchringen können. Sie wollte ihre Unabhängigkeit nicht verlieren, noch nicht, fügte sie jeweils hinzu. Sie verfügte zwar über einen ausgeprägten Familiensinn, doch auch dieser schien vor einer dauerhaften Bindung an den Ort zu kapitulieren.
Sie hatte versucht, sich nicht in die Diskussion einzumischen, obwohl Nicole im Grunde froh gewesen wäre, wenn Mirjam sich im positiven Sinne hätte entscheiden können. Das wäre für sie eine Bestätigung der Ernsthaftigkeit ihrer Beziehung gewesen. Gut, verfügte Nicole über ihre sprichwörtliche Geduld, die sie nicht allzusehr zweifeln ließ.
Alice hatte den Cappuccino gekostet. Er schmeckte erwartungsgemäß ausgezeichnet, wie sie mit einem Lächeln bestätigte. Da Alice eigentlich keine Antwort auf ihre Frage erwartet hatte, wechselte sie jetzt das Thema.
»Du wolltest, glaube ich, meinen Rat«, eröffnete sie das Gespräch. »Worum geht’s?«
Nicole neigte sich nach vorn. »Du weißt, Mirjam hat bald Geburtstag. Ich überlege mir schon die ganze Zeit, wie ich sie überraschen könnte«, erklärte Nicole ihre Bitte.
Zwischen Alices Augen bildete sich eine scharfe, senkrechte Falte. Sie blickte Nicole fast mitleidig an.
»Geburtstag!« seufzte sie. »Das ist ein absolutes Reizthema für Mirjam.«
Nicole schüttelte verständnislos den Kopf. »Aber warum?« fragte sie. »Ich meine, wir werden doch alle älter! Ich liebe sie, das weiß sie doch!«
Die Hand, die Alice fast abwehrend erhoben hatte, bremste Nicole. »Das Alter ist es nicht«, versuchte sie zu erklären. Wieder seufzte Alice.
Gespannt wartete Nicole, da musste doch noch
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