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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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und das ganze Haus! Ich hätte Ihnen gewünscht, Sie hätten sich selber zusehen können vorgestern bei unserem Ausflug, wie Sie lustig waren und wir alle mit Ihnen – ich habe noch den ganzen Abend daran gedacht.«
    »Den ganzen Abend haben Sie an mich gedacht?« Sie blickte mich an, ein wenig unsicher. »Wirklich?«
    »Den ganzen Abend. Ach, was war das aber auch für ein Tag, den werde ich nie vergessen. Wunderbar war diese ganze Fahrt, wunderbar!«
    »Ja«, wiederholte sie träumerisch. »Wunderbar war das ... wun-der-bar ... erst die Fahrt über die Felder und dann die kleinen Fohlen und das Fest im Dorf ... wunderbar alles vom Anfang bis zum Ende! Ach, ich müßte öfters so wo hinaus! Vielleicht war's wirklich nur dies dumme Zuhausesitzen, dieses blödsinnige Micheinsperren, das mir die Nerven derart heruntergebracht hat. Aber Sie haben recht, ich hab immer zu viel Mißtrauen ... das heißt, ich hab's erst, seit mir das passiert ist. Früher, mein Gott, ich kann mich nicht erinnern, daß ich mich je vor irgend jemandem gefürchtet hätte ... erst seitdem bin ich so schrecklich unsicher geworden ... immer bild ich mir ein, jeder schaut auf meine Krücken, jeder bemitleidet mich ... Ich weiß ja, wie dumm das ist, ein dummer und kindlicher Stolz, und daß man sich dadurch vertrotzt gegen sich selber, ich weiß schon, es rächt sich, es reißt einem nur die Nerven durch. Aber wie soll man nicht mißtrauisch werden, wenn's eine solche Ewigkeit dauert! Ach, wenn nur diese schreckliche Sache endlich zu einem Ende käme, daß man nicht so schlecht dadurch wird, so bös und zornmütig!«
    »Aber es geht doch bald zu Ende. Nur Mut müssen Sie haben, ein bißchen Mut noch und Geduld.«
    Sie richtete sich leicht auf. »Glauben Sie ... glauben Sie ehrlich, daß jetzt wirklich Schluß wird durch diese neue Kur? ... Denken Sie, vorgestern, wie Papa heraufgekommen ist, war ich schon ganz sicher ... Aber heut nacht, ich weiß nicht wieso, kam plötzlich eine Angst über mich, der Doktor habe sich geirrt und mir was Falsches gesagt, weil ich ... weil ich mich an etwas erinnert hab. Früher, dahabe ich dem Doktor, dem Doktor Condor, vertraut wie dem lieben Gott. Aber es geht ja immer so ... erst beobachtet der Arzt den Patienten, aber wenn's lange dauert, lernt auch der Kranke den Arzt beobachten, und gestern – aber das erzähl ich nur Ihnen –, gestern, während er mich untersucht hat, da kam's mir manchmal so vor ... ja, wie soll ich's erklären ... nun so ... als ob er mir eine Komödie vormachen wollte ... Er kam mir so unsicher, so unwahrhaftig vor, nicht so offen, nicht so herzlich wie sonst ... Ich weiß nicht warum, aber mir war, als ob er sich aus irgend einem Grund vor mir schämte ... Natürlich war ich entsetzlich glücklich, wie ich dann hörte, daß er mich gleich in die Schweiz schicken will ... und doch ... irgendwo im geheimen ... das sag ich nur Ihnen ... kam immer wieder diese sinnlose Angst ... aber das sagen Sie ihm nicht, um Gottes willen nicht! ... es sei was nicht richtig mit dieser neuen Kur ... als wollt er mich damit nur zum Narren halten ... oder vielleicht nur Papa beruhigen ... Sie sehen, ich werd es noch immer nicht los, dieses schreckliche Mißtrauen. Aber was kann man dafür? Wie soll man nicht argwöhnisch werden gegen sich, gegen alle, wenn einem so oft schon vorgeredet worden ist, man käme zu einem Ende, und dann ging es immer wieder so langsam, so schrecklich langsam. Nein, ich kann, ich kann dieses ewige Warten wirklich nicht länger ertragen!«
    Sie hatte sich erregt aufgerichtet, ihre Hände begannen zu zittern. Rasch beugte ich mich näher zu ihr.
    »Nein! Nicht ... nicht sich wieder aufregen! Erinnern Sie sich, eben haben Sie mir versprochen ...«
    »Ja, ja, Sie haben recht! Es hilft nichts, wenn man sich quält, man quält nur die andern damit. Und die andern, was können die denn dafür! Man liegt ihnen ohnehin schon als eine Last auf dem Leben ... Aber nein, ich wollte gar nicht davon reden, wirklich, ich wollte nicht ... Ichwollte Ihnen nur danken, daß Sie mir meine dumme Aufgeregtheit nicht weiter übelgenommen haben und ... daß Sie überhaupt immer so gut zu mir sind, so ... so rührend gut, wie ich's gar nicht verdiene ... und daß ich gerade Sie ... aber nicht wahr, wir reden nie mehr davon?«
    »Nie mehr. Verlassen Sie sich darauf. Und jetzt ruhen Sie sich ausgiebig aus.«
    Ich stand auf, um ihr die Hand zu reichen. Rührend sah sie aus, halb ängstlich noch und halb

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