Ungeduld des Herzens.
gleich, Herr Leutnant möchten unbedingt sie abwarten.«
Gegen meinen Willen war ich erschüttert. Wie alle doch diese Kranke liebten! Wie jeder sie verzärtelte und entschuldigte! Unwiderstehlich fühlte ich das Bedürfnis, diesem gütigen alten Mann, der, von seinem eigenen Mut bestürzt, wieder auffallend emsig an meiner Bluse herumputzte, etwas Herzliches zu sagen; so klopfte ich ihm leicht auf die Schulter.
»Lassen Sie nur, lieber Josef, es steht nicht dafür! Bei der Sonne trocknet so was rasch weg, und ich hoffe, Euer Tee ist nicht stark genug, um einen anständigen Fleck zu machen. Lassen Sie's nur, Josef, klauben Sie lieber das Geschirr auf. Ich wart schon, bis Fräulein Ilona kommt.«
»Oh, wie gut, daß Herr Leutnant warten!« Er atmete förmlich auf. »Und Herr von Kekesfalva werden auch bald zurück sein und sich gewiß freuen, den Herrn Leutnant zu begrüßen. Er hat mir ausdrücklich aufgetragen ...«
Aber da knisterte schon ein Schritt leichtfüßig die Treppe empor. Ilona war es. Auch sie hielt, ganz wie vordem der Diener, die Augen gesenkt, während sie an mich herantrat.
»Edith läßt Sie bitten, einen Augenblick hinunter ins Schlafzimmer zu kommen. Nur einen Augenblick! Sie bittet herzlichst darum, läßt sie Ihnen sagen.«
Wir gingen die Wendeltreppe zusammen hinab. Und sprachen kein Wort, während wir durch den Empfangsraum und das zweite Zimmer in den langen Gang gelangten, der offenbar zu den Schlafräumen führte. Manchmal berührten sich zufällig unsere Schultern in diesem dunklen Engpaß, vielleicht auch, weil ich so erregt und unruhig ging. Bei der zweiten Seitentür blieb Ilona stehen und flüsterte dringlich:
»Sie müssen jetzt gut zu ihr sein. Ich weiß nicht, was da oben vorgefallen ist, aber ich kenne diese plötzlichen Ausbrüche bei ihr. Wir alle kennen sie. Aber man darf's ihr nicht übelnehmen, wirklich nicht. Unsereins vermag sich's gar nicht auszudenken, was das heißt, immer so von morgens bis abends hilflos herumzuliegen. Da muß sich schließlich in den Nerven Unruhe aufstauen und einmal bricht's eben heraus, ohne daß sie's weiß oder will. Nur, glauben Sie mir, niemand ist nachher unglücklicher als die Arme. Gerade wenn sie sich derart schämt und abquält, muß man doppelt gut zu ihr sein.«
Ich antwortete nicht. Es war auch unnötig. Ilona mußte ohnehin bemerkt haben, wie erschüttert ich war. Nun klopfte sie vorsichtig an die Tür, und kaum daß von innen Antwort kam, ein leises schüchternes »Herein«, mahnte sie noch rasch:
»Bleiben Sie nicht zu lang. Nur einen Augenblick!«
Ich trat durch die lautlos nachgebende Tür. Auf den ersten Blick gewahrte ich im weiträumigen Zimmer, das die orangefarbenen Vorhänge vollkommen gegen die Gartenseite abdunkelten, nichts als rötliche Dämmerung; dann erst unterschied ich im Hintergrund das hellere Rechteck eines Betts. Schüchtern kam von dort die wohlbekannte Stimme:
»Bitte hierher, auf das Taburett. Nur einen Augenblick halte ich Sie auf.«
Ich trat näher. Aus den Kissen schimmerte schmal das Gesicht unter dem Schatten des Haars. Eine bunte Decke rankte ihre eingestickten Blumen empor bis knapp an den mageren kindlichen Hals. Mit einer gewissen Ängstlichkeit wartete Edith ab, daß ich mich setzte. Dann erst wagte sich die Stimme scheu heran.
»Verzeihen Sie, daß ich Sie hier empfange, aber mir war schon ganz schwindlig ... ich hätte nicht so lange in der scharfen Sonne draußen liegen sollen, das macht mir immer den Kopf wirr ... Ich glaub faktisch, ich war nicht ganz bei Verstand, als ich ... Aber ... aber, nicht wahr ... Sie vergessen alles? Sie nehmen mir meine Ungezogenheit nicht weiter übel?«
Es war so viel flehentliches Ängsten in ihrer Stimme, daß ich sie rasch unterbrach. »Aber was denken Sie ... Es war doch nur meine Schuld ... ich hätte Sie nicht so lange in dieser grellen Hitze sitzen lassen dürfen.«
»Zuverlässig also ... Sie nehmen es mir nicht übel ... wirklich nicht?«
»Keine Spur.«
»Und Sie kommen wieder ... genau so wie immer?«
»Genau so. Aber unter einer Bedingung freilich.«
Sie blickte unruhig. »Welche Bedingung?«
»Daß Sie ein bissel mehr Zutrauen zu mir haben und sich nicht immer gleich Sorgen machen, Sie hätten mich gekränkt oder beleidigt! Wer denkt denn an solchen Nonsens unter Freunden. Wenn Sie wüßten, wie anders Sie aussehen, wenn Sie sich's herzhaft wohl sein lassen, und wie Sie uns alle damit glücklich machen, den Vater und Ilona und mich
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