Ungeduld des Herzens.
daß ich Dich liebe ... nur ein Zeichen sollst Du mir geben ...«
Und schon kracht und knattert es wie eine Salve »Hoch, hoch, hoch«. Alle sind, wie vom erhobenen Glas des Obersten emporgerissen, stramm aufgesprungen, vom Nebenraum schmettert prompt der verabredete Tusch »Hoch soll er leben«. Alle stoßen an und toasten auf Balinkay, der nur die niederprasselnde Dusche abwartet, ehe er locker, leicht, in humoristischer Art erwidert. Bloß ein paar anspruchslose Worte wolle er sagen, nur, daß er sich, trotz allem und allem, nirgends in der Welt so wohlfühle wie unter den alten Kameraden, und schon endet er mit dem Ruf: »Es lebe das Regiment! Es lebe Seine Majestät, unser allergnädigster Kriegsherr, der Kaiser!« Steinhübel gibt dem Hornisten den zweiten Wink, ein neuerlicher Tusch setzt ein, und im Chor braust die Volkshymne auf und dann das unvermeidliche Lied aller österreichischen Regimenter, in dem jedes sich mit gleichem Stolz bei seinem Namen nennt:
»Wir sind vom k. und k.
Ulanenregiment ...«
Dann wandert Balinkay rings um den Tisch, das Glas in der Hand, um mit jedem einzeln anzustoßen. Mit einmal spüre ich mich, von meinem Nachbarn energisch aufgestupft, einem Paar hellgrüßender Augen entgegen: »Servus, Kamerad.« Ich nicke benommen zurück; erst als Balinkay schon beim Nächsten hält, merke ich, daß ich vergessen habe, mit ihm anzustoßen. Doch schon ist alles wieder im bunten Nebel verschwunden, der mir Gesichter und Uniformen so sonderbar verschwommen durcheinandermengt.Donnerwetter – was ist denn das mit einem Mal für ein blauer Rauch vor meinen Augen? Haben die andern schon angefangen zu qualmen, daß mir's plötzlich so stickig heiß wird? Etwas trinken, rasch trinken! Ein, zwei, drei Gläser stürze ich hinab, ohne zu wissen, was ich trinke. Nur das Bittere, das Üblige erst einmal weg aus der Kehle! Und selber rasch was rauchen! Aber da ich in die Tasche fahre nach der Zigarettendose, spüre ich wieder das Knistern unter dem Rock: der Brief! Meine Hand zuckt zurück. Abermals höre ich durch das wüste Getümmel nur die schluchzenden, die flehenden Worte: »Nur erlauben sollst Du mir, Dich zu lieben ... ich weiß ja, es ist Wahnsinn, mich Dir anzudrängen ...«
Doch da klirrt abermals eine Gabel stillegebietend an ein Glas. Es ist der Major Wondraczek, der jeden Anlaß benützt, um seinen poetischen Fimmel in humoristischen Versen und Schnadahüpfeln zu entladen. Wir wissen alle: sobald Wondraczek aufsteht, sein respektables Bäuchlein an den Tisch lehnt und ein pfiffiges und zwinkerndes Gesicht zu machen versucht, beginnt unaufhaltsam der »lustige Teil« des Kameradschaftsabends.
Und schon steht er in Positur, den Zwicker über die etwas weitsichtigen Augen geschoben, und entfaltet umständlich sein Folioblatt. Es ist das obligate Gelegenheitsgedicht, mit dem er jedes Fest zu verschönen glaubt und das diesmal die Lebensgeschichte Balinkays mit »zündenden« Scherzen zu verbrämen sucht. Aus subalterner Höflichkeit oder vielleicht, weil sie selbst schon ein bißchen angetrunken sind, lachen bei jeder Anspielung einige Nachbarn gefällig mit. Endlich schlägt eine Pointe wirklich ein, und von knatterndem »bravo, bravo« dröhnt die ganze Runde.
Mich aber packt mit einem Mal ein Grauen. Wie eine Kralle krampft sich mir dieses grobe Lachen ums Herz. Denn wie kann man so lachen, wenn irgend jemandstöhnt, irgend jemand so unermeßlich leidet? Wie mit dreckigen Witzen spaßen und spotten, indes jemand zugrunde geht? Gleich, ich weiß es, wenn Wondraczek fertig gequasselt hat, beginnt die große Sumperei, das Hallo und das Allotria. Man wird singen, man wird die neuesten Strophen von der »Wirtin an der Lahn« singen, Witze erzählen, man wird lachen und lachen und lachen. Mit einmal kann ich die gutmütig glänzenden Gesichter nicht mehr sehen. Hat sie denn nicht geschrieben, nur einen Zettel solle ich schicken, nur ein einziges Wort? Ob ich nicht doch ans Telephon gehe und draußen anrufe? Man kann doch nicht einen Menschen so warten lassen! Man muß ihm doch etwas sagen, man muß ...
»Bravo, bravissimo!« Alle applaudieren, Stühle krachen, der Boden dröhnt und staubt vom plötzlichen Aufspringen von vierzig oder fünfzig heiteren und ein wenig beduselten Männern. Stolz steht der Major, nimmt den Zwicker ab und faltet das Blatt zusammen, gutmütig und ein bißchen eitel den Offizieren zunickend, die ihn glückwünschend umdrängen. Ich aber nutze den Augenblick des
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