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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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zerschlagenes, geschlagenes Wesen Dir nicht zur Last sein, da ich mir selbst doch ein Ekel, ein Abscheu bin? Ein Wesen wie ich, ich weiß, hat kein Recht, zu lieben, und schon gar keines, geliebt zu werden. Im Winkel hat sich's zu verkriechen und zu krepieren und nicht noch andern mit seiner Gegenwart das Leben zu verstören – ja, alles das weiß ich, ich weiß es und gehe daran zugrunde, daß ich es weiß. Niemals hätte ich darum gewagt, Dich anzufallen, aber wer als Du hat mir die Zuversicht gegeben, ich würde nicht mehr lange dies klägliche Mißgebilde bleiben, das ich bin? Ich würde mich rühren, mich bewegen können wie die andern Menschen, wie alle die Millionen überflüssiger Menschen, die gar nicht wissen, daß jeder freie Schritt eine Gnade ist und eine Herrlichkeit. Eisern hatte ich mir vorgenommen, mich zu verschweigen, bis ich wirklich so weit wäre, ein Mensch, eine Frau wie die andern und vielleicht – vielleicht!!! – Deiner würdig, Du Geliebter. Aber meine Ungeduld, meine Gier, zu genesen, war so toll, daß ich in dieser Sekunde, da Du Dich über mich neigtest, schon glaubte , ehrlich glaubte, ehrlich und närrisch glaubte, jene Andere, jene Neue, jene Genesene zu sein! Ich hatte es eben zu lange gewollt und geträumt und jetzt warst Du mir nah – da vergaß ich für einen Augenblick meine schuftigen Beine, ich sah nur Dich, und fühlte als die, die ich für Dich sein wollte. Kannst Du das nicht verstehen, daß man auch mitten im Tag einen Augenblick lang träumen kann, wenn man Jahr um Jahr immer diesen einzigen Traum träumt, Tag und Nacht? Glaub mir, Geliebter – nur dieser unsinnige Wahn, ich sei schon von meiner Humpelei erlöst, hat mich so wirr gemacht; nur diese Ungeduld, nicht mehr die Ausgestoßene, nicht mehr der Krüppel zu sein, ließ mein Herz derart toll herausfahren aus mir. Begreif's doch: ich hattedoch schon so lange und so unendliche Sehnsucht nach Dir.
    Aber nun weißt Du, was Du nie hättest wissen sollen, ehe ich nicht wirklich auferstanden war, und weißt auch, für wen ich geheilt sein will, für wen allein auf Erden – nur für Dich! Nur für Dich! Verzeih mir, unendlich Geliebter, diese Liebe, und um dies eine vor allem flehe ich Dich an – fürchte Dich nicht und entsetze Dich nicht vor mir! Glaub nicht, daß weil ich einmal zudringlich gewesen, ich Dich weiter verstören werde, daß ich, hinfällig und mir selbst widrig, wie ich bin, Dich schon halten will. Nein, ich schwör es Dir – kein Drängen sollst Du jemals von mir spüren, ganz unfühlbar will ich bleiben für Dich. Nur warten will ich, geduldig warten, bis Gott sich meiner erbarmt und mich gesund macht. So bitte, so flehe ich Dich an – fürchte Dich nicht, Liebster, vor meiner Liebe, bedenk doch, Du, der Du Mitleid hattest wie kein anderer mit mir, bedenk, wie gräßlich hilflos ich bin, angenagelt an meinen Sessel, unfähig, einen eigenen Schritt zu tun, unmächtig, Dir nachzugehen, Dir entgegenzueilen. Bedenk doch, bedenk, daß ich eine Gefangene bin, die in ihrem Kerker warten muß, immer geduldig-ungeduldig warten, bis Du kommst und mir eine Stunde schenkst, bis Du mir erlaubst, Dich anzublicken, Deine Stimme zu hören, im selben Raum Deinen Atem zu spüren, Deine Gegenwart zu fühlen, dies einzige, dies erste Glück, das mir seit Jahren gegönnt war. Bedenk's doch, denk Dir's aus: da liegt man und liegt und wartet Tag und Nacht, und jede Stunde dehnt sich, man kann die Spannung kaum ertragen. Und dann kommst Du, und ich vermag nicht wie eine andere aufzuspringen, ich kann Dir nicht entgegenlaufen, nicht Dich umfassen, nicht Dich halten. Man muß sitzen und sich bezähmen, sich dämmen und sich verschweigen, muß auf jedes Wort, auf jeden Blick, auf jede Schwingung der Stimme achten, nur daß Du nichtmeinen könntest, ich maße mir an, Dich zu lieben. Aber doch, glaub mir, Geliebter, auch dies martervolle Glück war für mich immer noch Glück, und ich lobte, ich liebte mich jedesmal, wenn es mir noch einmal gelungen war, mich zu verhalten, und Du gingst weg, ahnungslos, frei und unbeschwert, unwissend um meine Liebe; einzig mir blieb dann die Qual, zu wissen, wie rettungslos ich Dir verfallen bin.
    Aber nun ist es geschehen. Und jetzt, Geliebter, da ich nicht mehr leugnen und wegleugnen kann, was ich für Dich fühle, jetzt flehe ich Dich an, sei nicht grausam zu mir; auch das ärmste, das kläglichste Wesen hat noch seinen Stolz, und ich könnte es nicht ertragen, daß Du mich verachtest,

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