Ungeduld des Herzens.
wenn man sein Trinkgeld kriegt und so weiter – na, Schwamm drüber! Genug, daß ich's erlebt, genug, daß ich's überstanden hab'!
Und dann kam die Sache mit meiner Frau. Sie war kurz vorher Witwe geworden und mit ihrer Schwester und ihrem Schwager nach Kairo gefahren. Und dieser Schwager war so ziemlich der ordinärste Kerl, den du dir denken kannst, breit, dick, schwammig, patzig, und irgend was hat ihn an mir geärgert. Vielleicht war ich ihm zu elegant, vielleicht hab' ich den Buckel nicht gehörig krumm gemacht vor dem Mynheer, und da ist es einmal passiert, daß er mich, weil ich ihm das Frühstück nicht ganz zur rechten Zeit brachte, angefahren hat: ›Sie Tölpel!‹ ... Siehst, und das steckt unsereinem in den Muskeln, wenn man einmal Offizier war – ehe ich was überlegt hab', hat's mir schon einen Ruck gegeben wie einem angerissenenPferd, ich bin aufgefahren – wirklich nur ein Haar hat gefehlt und ich hätt ihm die Faust ins Gesicht gedroschen. Na – im letzten Moment hab' ich mich noch derfangen, denn, weißt, ohnehin war mir ja die ganze Sache mit der Kellnerei alleweil nur wie eine Maskeraden vorgekommen, und es hat mir sogar – ich weiß nicht, ob du das verstehst – im nächsten Augenblick schon eine Art sadistischen Spaß gemacht, daß ich, der Balinkay, mir sowas jetzt gefallen lassen muß von einem dreckigen Käsehändler. So bin ich nur stillgestanden und hab' ihn ein bißchen angelächelt – aber weißt, so von oben herab, so um die Nasen herum gelächelt, daß der Kerl weißgrün geworden ist vor Wut, weil er eben gespürt hat, daß ich ihm irgendwie über bin. Dann bin ich ganz kühl aus dem Zimmer marschiert und hab' noch eine besonders ironisch-höfliche Verbeugung gemacht – geplatzt ist er beinah vor Wut. Aber meine Frau, das heißt, meine jetzige Frau, war dabei; auch sie muß was gespannt haben von dem, was da zwischen uns beiden vorging, und irgendwie hat sie gespürt – sie hat's mir später eingestanden – an der Art, wie ich aufgefahren bin, daß noch nie im Leben sich jemand zu mir so was erlaubt hat. So kam sie mir nach in den Korridor, ihr Schwager sei halt ein bissel aufgeregt, ich möcht's ihm nicht übelnehmen – na, und damit du die ganze Wahrheit weißt, mein Lieber – sie hat sogar versucht, mir eine Banknote zuzustecken, um alles gradzubügeln.
Wie ich diese Banknote dann refüsiert hab, da muß sie zum zweitenmal gespannt haben, daß etwas nicht ganz stimmte mit meiner Kellnerei. Aber damit wäre die Sache aus gewesen, denn ich hab' in den paar Wochen schon genug zusammengekratzt gehabt, um wieder nach Hause zu können, ohne betteln zu müssen beim Konsulat. Ich bin nur hin, um mir eine Auskunft zu holen. Nun da kam mir der Zufall zu Hilfe, eben so ein Zufall, wie er nur einmal hineinplatzt unter hunderttausend Nieten – daß derKonsul gerade durch das Vorzimmer geht und niemand anderer ist als der Elemér von Juhácz, mit dem ich weiß Gott wie oft im Jockeyklub zusammengesessen bin. Na, der hat mich gleich umarmt und sofort eingeladen in seinen Klub – und wieder durch einen Zufall – also Zufall plus Zufall, ich erzähl dir das nur, damit du's einsiehst, wieviel tolle Zufälle sich Rendezvous geben müssen, um unsereins aus dem Dreck zu ziehn – war dort meine jetzige Frau. Wie der Elemér mich vorstellt als seinen Freund, den Baron Balinkay, wird sie feuerrot. Sie hat mich natürlich sofort erkannt und nun war ihr das mit dem Trinkgeld scheußlich. Aber gleich hab' ich g'spürt, was sie für eine Person ist, für eine noble, anständige Person, denn sie hat nicht gefaxt, als wüßt sie von nix, sondern offen und ehrlich gleich Farbe bekannt. Alles andere hat sich dann rasch gedeichselt und g'hört nicht hierher. Aber glaub mir, ein solches Zusammenspiel wiederholt sich nicht alle Tag, und trotz meinem Geld und trotz meiner Frau, für die ich Gott jeden Morgen und Abend tausendmal danke, ich möcht's nicht ein zweites Mal durchleben, was ich vorher erlebt hab'.«
Unwillkürlich streckte ich Balinkay die Hand hin.
»Ich dank dir aufrichtig, daß du mich gewarnt hast. Jetzt weiß ich noch besser, was mir bevorsteht. Aber mein Wort – ich seh keinen andern Weg. Weißt wirklich nichts für mich? Ihr sollt's doch große Geschäfte haben.«
Balinkay schwieg einen Augenblick, dann seufzte er teilnehmend.
»Armer Kerl, dir müssen's aber gehörig zugesetzt haben – keine Angst, ich inquirier dich nicht, ich seh schon selber genug. Wenn's einmal so weit
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