Ungeduld des Herzens.
romantischen Lichter rechtzeitig abdreht.«
Er setzte sich wieder hin und rückte nah heran.
»Nicht wahr, auch dir haben's wahrscheinlich die ganze Geschichte vom glorreichen Fischzug erzählt, wie ich meine Frau im Shepherds Hotel kenneng'lernt hab? Ich weiß, sie trommeln's in allen Regimentern herum und möchten's am liebsten ins Lesebuch drucken lassen als Heldentat eines k. und k. Offiziers. Nun, so glorios war die Sache nicht; nur etwas ist an der Geschichte wahr, nämlich daß ich sie wirklich im Shepherds Hotel kennengelernt hab. Aber wie ich sie kennengelernt hab, das weiß nur ich und nur sie, und sie hat's niemandem erzählt und ich auch noch keinem. Und dir erzähl ich's bloß, damit begreifst, daß für unsereins die Rosinen nicht auf der Straßen wachsen ... Also, ums kurz zu machen: wie ich sie im Shepherds Hotel kennengelernt hab, war ich dort – aber erschrick jetzt nicht – da war ich dort Zimmerkellner – ja, mein Lieber, ein ganz gewöhnlicher schäbiger Servierkellner. Aus Vergnügen war ich's natürlich nicht geworden, sondern aus Dummheit, aus unserer jämmerlichen Unerfahrenheit. In Wien hatte in meiner schäbigen Pension ein Ägypter gewohnt, und der Kerl hatte mir vorgeschwatzt, sein Schwager sei der Leiter vom Royal Poloklub in Kairo, und wenn ich ihm zweihundert Kronen Provision gäbe, so könnt er mir dort eine Stellung als Trainer verschaffen. Man fliege dort auf gute Manieren und guten Namen; na, im Poloturnier war ich immer dererste und die Gage, die er mir nannte, vorzüglich – in drei Jahren hätt ich mir genug zusammenhamstern können, um nachher mit was Anständigem zu starten. Außerdem, Kairo, das liegt doch weit ab, und beim Polo hat man's mit bessere Leut zu tun. So hab ich begeistert zugestimmt. Na – ich will dich nicht damit anöden, wie viel Dutzend Klinken ich hab drücken müssen und wie viele verlegene Ausreden von sogenannten alten Freunden anhören, eh ich die paar hundert Kronen zusammengekratzt hab für die Überfahrt und Ausstattung – man braucht für so einen Nobelklub doch einen Reitanzug und einen Frack und muß anständig auftreten. Es ist trotz Zwischendeck verflucht knapp ausgegangen. In Kairo klimperten mir im ganzen noch sieben Piaster in der Tasche, und als ich beim Royal Poloklub anläut', glotzt mich ein Negerkerl an und sagt, er kennt keinen Herrn Efdopulos und weiß von keinem Schwager und sie brauchen keinen Trainer und überhaupt sei der Poloklub in Auflösung begriffen – du verstehst schon, dieser Ägypter war natürlich ein elender Lump, der mir Trottel die zweihundert Kronen abgeschwindelt hatte, und ich war nicht gefinkelt genug gewesen, mir die angeblichen Briefe und Telegramme zeigen zu lassen. Ja, lieber Hofmiller, solchen Kanaillen sind wir nicht gewachsen, und dabei war's nicht das erstemal, daß ich so hineingesaust bin bei meiner Stellensucherei. Aber diesmal war's ein Hieb direkt in den Magen. Denn, mein Lieber, da stand ich jetzt, ohne eine Katz zu kennen, in Kairo mit ganzen sieben Piastern in der Tasche, und das ist nicht nur ein heißes, sondern auch ein verdammt teures Pflaster. Wie ich dort gewohnt und was ich gefressen hab die ersten sechs Tage, erspar ich dir; mich wundert's selbst, daß man so was übersteht. Und siehst, ein andrer geht in so einem Fall hin zum Konsulat und schnorrt, man soll ihn per Schub zurückschicken. Aber darin liegt ja der Knacks – unsereins kann sowasnicht. Unsereiner kann sich nicht im Vorzimmer auf eine Bank setzen mit Hafenarbeitern und entlassenen Köchinnen, und kann nicht den Blick ertragen, mit dem so eine kleine Konsulatsseele einen anschaut, wenn er im Paß herausbuchstabiert ›Baron Balinkay‹. Lieber geht unsereins vor die Hunde; darum stell dir vor, was das im Pech noch für ein Glück war, wie ich durch einen Zufall erfahren hab', sie brauchen einen Aushilfskellner im Shepherds Hotel. Und da ich einen Frack hatte und sogar einen neuen (vom Reitanzug hatte ich die ersten Tage gelebt) und auf mein Französisch hin haben sie mich gnädigst auf Probe genommen. Na – von außen sieht so was noch erträglich aus; man steht da, mit blitzblanker Hemdbrust, man dienert und serviert, man macht gute Figur; aber daß man als Zimmerkellner nebenan wo zu dritt schläft in einer Mansarde unter dem brennheißen Dach mit sieben Millionen Flöhen und Wanzen und morgens sich zu dritt hintereinander wäscht in der gleichen Blechschüssel und daß es unsereinem wie Feuer in der Hand brennt,
Weitere Kostenlose Bücher