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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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unterfertigt, der Kaufpreis zu Händen des Notars hinterlegt, das Bankkonto bestimmt, auf das der Scheck am nächsten Tage überwiesen werden sollte. Mit diesem einen Federzug hatte Leopold Kanitz sein Vermögen verdoppelt oderverdreifacht, niemand als er war von dieser Stunde an Herr und Besitzer von Kekesfalva.
    Der Notar trocknete sorglich die feuchten Unterschriften, dann schüttelten alle drei ihm die Hand und gingen die Treppe hinab, zuerst die Dietzenhof, hinter ihr verhaltenen Atems Kanitz und nach ihm Doktor Gollinger, wobei es Kanitz höchlichst erbitterte, daß ihm sein Komplize von rückwärts her andauernd mit dem Stock in die Rippen tippte und mit seiner Bierstimme pathetisch murmelte (nur ihm verständlich): ›Lumpus maximus, lumpus maximus!‹ Dennoch war es Kanitz unangenehm, als Doktor Gollinger sich bereits beim Haustor mit einer ironisch tiefen Verbeugung empfahl. Denn dadurch blieb er mit seinem Opfer allein, und das erschreckte ihn.
    Aber Sie müssen, lieber Herr Leutnant, diese unerwartete Umschaltung zu begreifen suchen – ich möchte mich nicht pathetisch ausdrücken und sagen, daß in unserem Freunde plötzlich das Gewissen erwacht sei. Jedoch seit jenem einen Federstrich war die äußere Situation zwischen den beiden Partnern entscheidend verändert. Bedenken Sie: während dieser ganzen zwei Tage hatte Kanitz als Käufer gegen dieses arme Mädchen als gegen die Verkäuferin gekämpft. Sie war die Gegnerin gewesen, die er strategisch umfassen, die er einschließen und zur Kapitulation nötigen mußte; aber jetzt war die finanzmilitärische Operation zu Ende. Napoleon Kanitz hatte gesiegt, restlos gesiegt, und damit war dieses arme stille Mädchen, das im einfachen Kleid neben ihm durch die Walfischgasse schattete, nicht mehr sein Gegner, sein Feind. Und – so sonderbar es klingt, nichts bedrückte unseren Freund in diesem Augenblick seines raschen Sieges eigentlich mehr als das Faktum, daß sein Opfer ihm seinen Sieg zu leicht gemacht hatte. Denn wenn man gegen einen Menschen ein Unrecht begeht, tut es dem Täter geheimnisvollerweise wohl, herauszufinden oder sich vorzutäuschen, daß auchder Mißbrauchte in irgendeiner Kleinigkeit schlecht oder unrecht gehandelt habe; immer entlastet sich das Gewissen, wenn man dem Betrogenen wenigstens eine kleine Schuld zuteilen kann. Aber diesem Opfer hatte Kanitz nichts und nicht das Allergeringste vorzuwerfen; es hatte sich ihm mit gebundenen Händen übergeben und ihn dabei noch unablässig mit ahnungslos dankbaren kornblumenblauen Augen angeblickt. Was sollte er ihr jetzt nachträglich sagen? Sie noch beglückwünschen zum Verkauf, das heißt, zum Verlust? Immer unbehaglicher wurde ihm zumute. Zum Hotel begleite ich sie noch, überlegte er rasch; dann ist alles aus und vorbei.
    Jedoch auch das Opfer an seiner Seite war sichtlich unruhig geworden. Auch sie bekam einen anderen, einen nachdenklich zögernden Gang. Kanitz, obwohl er den Kopf gesenkt hatte, entging diese Veränderung nicht, er spürte an der Art, wie sie zögernd die Schritte setzte (in das Gesicht wagte er ihr nicht zu blicken), daß sie angestrengt etwas überlegte. Angst überfiel ihn. Jetzt endlich hat sie begriffen, sagte er sich, daß ich der Käufer bin. Wahrscheinlich wird sie mir jetzt Vorwürfe machen, wahrscheinlich bereut sie schon ihre dumme Hast und rennt vielleicht morgen doch noch zu ihrem Anwalt.
    Aber da – sie waren schon die ganze Walfischgasse, Schatten an Schatten, schweigend nebeneinander gegangen – faßte sie endlich Mut, räusperte sich und begann:
    ›Verzeihen Sie ... aber da ich morgen früh wegreise, hätte ich noch gerne alles in Ordnung gebracht ... Ich möchte Ihnen vor allem danken für Ihre große Mühe und ... und ... Sie bitten, daß Sie mir lieber gleich jetzt sagen ... wieviel ich Ihnen noch für Ihre Bemühungen schuldig bin. Sie haben so viel Zeit mit Ihrer Vermittlung verloren und ... ich reise morgen früh ab ... da hätte ich doch gerne alles in Ordnung gebracht.‹
    Unserm Freund stockte der Fuß, stockte das Herz. Daswar zu viel! Darauf war er nicht gefaßt gewesen. Ihn überkam das peinliche Gefühl, wie wenn man im Zorn einen Hund geschlagen hat, und das geprügelte Tier kriecht auf dem Bauche heran, sieht mit flehenden Augen auf und leckt die grausame Hand.
    ›Nein, nein‹, wehrte er ganz betroffen ab, ›nichts, gar nichts schulden Sie mir‹, und er spürte zugleich, wie ihm der Schweiß aus den Poren brach. Ihm, der alles

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