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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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hatte einer jener erbschleicherischen Verwandten in der Hoffnung, sie zur Verbündeten zu machen, ihr ein paar magere Rosen auf das Zimmer gesandt. Aber die furiose Bestie, die Fürstin, hatte ihr sofort befohlen, siezurückzuschicken. Und nun kam jemand und brachte ihr Blumen, und niemand konnte es ihr verbieten.
    ›Ach nein‹, stammelte, ›wie komme ich denn dazu? Das ist viel ... viel zu schön für mich.‹
    Aber doch blickte sie dankbar auf. War es der Reflex der Blumen oder das aufwallende Blut – jedenfalls, ein rosiger Schein überhauchte immer stärker das verlegene Gesicht; das alternde Mädchen sah beinahe schön aus in diesem Augenblick.
    ›Wollen Sie nicht Platz nehmen?‹ sagte sie in ihrer Verwirrung, und ungeschickt setzte sich Kanitz ihr gegenüber.
    ›Sie reisen also wirklich?‹ fragte er, und ungewollt zitterte ein Ton aufrichtigen Bedauerns mit.
    ›Ja‹, sagte sie und senkte den Kopf. Es war keine Freude in diesem ›Ja‹, aber auch keine Trauer. Keine Hoffnung und keine Enttäuschung. Es war still gesagt, resigniert und ohne jedwede besondere Betonung.
    In seiner Verlegenheit und aus dem Wunsch heraus, ihr dienlich zu sein, erkundigte sich Kanitz, ob sie ihre Ankunft schon telegraphisch vorausgemeldet habe. Nein, oh nein, das würde ihre Leute doch nur erschrecken, die bekämen in Jahren kein Telegramm ins Haus. Aber es seien doch nahe Verwandte, fragte Kanitz weiter. Nahe Verwandte – nein, durchaus nicht. Eine Art Nichte, die Tochter ihrer verstorbenen Stiefschwester; den Mann kenne sie überhaupt nicht. Sie bestellten ein kleines Landgut mit einer Imkerei, und beide hätten sehr freundlich geschrieben, sie könne ein Zimmer dort haben und bleiben, solange es ihr gefiele.
    ›Aber was wollen Sie denn dort tun, in diesem kleinen verlorenen Ort?‹ fragt Kanitz.
    ›Ich weiß nicht‹, antwortete sie mit gesenkten Augen.
    Unser Freund wurde allmählich erregt. Es war etwas von solcher Leere und Verlassenheit um dieses Geschöpfund eine solche Gleichgültigkeit in der ratlosen Art, mit der sie sich selbst und ihr Schicksal hinnahm, daß er sich an sich selbst erinnerte, an sein unstetes, unbehaustes Leben. In ihrer Ziellosigkeit fühlte er die seine.
    ›Das hat doch keinen Sinn‹, sagte er beinahe heftig. ›Man soll nicht bei Verwandten wohnen, das tut nie gut. Und dann, Sie haben's doch nicht mehr nötig, sich in einem solchen kleinen Nest zu vergraben.‹
    Sie sah ihn dankbar und traurig zugleich an. ›Ja‹, seufzte sie, ›ich habe selbst ein wenig Angst davor. Aber was soll ich denn sonst tun?‹
    Sie sagte es leer vor sich hin und hob dann die blauen Augen zu ihm auf, als erhoffte sie von ihm einen Rat – (Solche Augen müßte man haben, hatte Kanitz gestern zu sich selber gesagt) –, und plötzlich, er wußte nicht, wieso es ihm geschah, fühlte er einen Gedanken, einen Wunsch sich zur Lippe drängen.
    ›Aber dann bleiben Sie doch lieber hier‹, sagte er. Und ohne daß er es wollte, fügte er leiser bei: ›Bleiben Sie bei mir.‹
    Sie schrak auf und starrte ihn an. Jetzt erst begriff er, daß er etwas ausgesprochen, was er gar nicht bewußt gewollt. Das Wort war ihm über die Lippe gekommen, ohne daß er es wie sonst gewogen, berechnet und geprüft. Ein Wunsch, den er sich selbst weder verdeutlicht noch eingestanden, war plötzlich Stimme, Schwingung, Ton geworden. An ihrem heftigen Erröten merkte er erst, was er gesagt, und fürchtete sofort, daß sie ihn mißverstehen könne. Wahrscheinlich dachte sie: als meine Geliebte. Und um sie auf keinen beleidigenden Gedanken kommen zu lassen, fügte er hastig bei:
    ›Ich meine – als meine Frau.‹
    Sie fuhr jäh empor. Der Mund zuckte, er wußte nicht, ob zu einem Schluchzen oder zu einem bösen Wort. Dann sprang sie plötzlich auf und lief aus dem Zimmer.
    Das war der furchtbarste Augenblick im Leben unseres Freundes. Jetzt erst verstand er die Torheit, die er begangen. Er hatte einen gütigen Menschen, den einzigen, der ihm Vertrauen entgegenbrachte, herabgesetzt, beleidigt, erniedrigt, denn wie konnte er, ein beinahe alter Mann, ein Jude, schäbig, unschön, ein Herumagentierer, ein Geldmacher, sich einem innerlich so vornehmen, so zartsinnigen Wesen anbieten! Unwillkürlich gab er ihr recht, daß sie mit solchem Abscheu davongelaufen war. Gut, sagte er grimmig zu sich. Recht ist mir geschehen. Endlich hat sie mich erkannt, endlich die Verachtung gezeigt, die mir gebührt. Besser so, als daß sie mir dankt für meine

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