Ungeduld des Herzens.
zurückkam, fuhren sie bereits einverständlich mit dem Schnellzug nach Wien. So orkanhaft geschwind war alles gekommen, daß Fräulein Dietzenhof gar nicht Gelegenheit hatte, den fremden Herrn, dem sie ihr ganzes Erbe zum Verkauf übertrug, nach seinem Namen zu fragen.
Sie fuhren im Schnellzug erster Klasse – es war das erste Mal, daß Kekesfalva auf diesen rotsamtenen Polstern saß; ebenso brachte er sie in Wien in einem guten Hotel in der Kärntner Straße unter und nahm dort gleichfalls ein Zimmer. Nun war einerseits nötig, daß Kanitz sich noch am selben Abend von seinem Spießgesellen, dem Advokaten Doktor Gollinger, den Kaufbrief vorbereiten ließ, um gleich am nächsten Tag den schönen Schnapp in rechtlich unantastbare Form bringen zu können, anderseits wagte er wieder nicht, sein Opfer nur eine Minute allein zu lassen. So verfiel er auf eine, ich muß ehrlich gestehen, geniale Idee. Er schlug Fräulein Dietzenhof vor, sie möge den freien Abend nutzen, um die Oper zu besuchen, wo ein aufsehenerregendes Gastspiel angekündigt war, indes er seinerseits trachten wolle, jenes Herrn, von dem er wisse, daß er nach einem großen Gute Ausschau halte, noch abends habhaft zu werden. Gerührt durch so viel Fürsorge, stimmte Fräulein Dietzenhof freudig zu; er verstaute sie in der Oper, damit war sie für vier Stunden festgenagelt, und Kanitz konnte in einem Fiaker – gleichfalls zum erstenmal in seinem Leben – zu seinem Kumpan und Hehler Doktor Gollinger rasen. Der war nicht zu Hause. Kanitz stöberte ihn in einer Weinstube auf, versprach ihm zweitausend Kronen, wenn er nochin derselben Nacht den Kaufvertrag in allen Einzelheiten ausarbeiteten und mit dem fertigen Kaufbrief den Notar für den nächsten Abend um sieben Uhr bestellte.
Kanitz hatte – Verschwender zum erstenmal in seinem Leben – den Fiaker während der Verhandlungen vor dem Hause des Anwalts warten lassen; nach gegebener Instruktion sauste er zur Oper zurück und kam noch glücklich zurecht, um die vor Begeisterung ganz benommene Dietzenhof im Vestibül abzufangen und nach Haus zu geleiten. Damit begann für ihn die zweite schlaflose Nacht; je näher er seinem Ziele kam, um so nervöser bedrängte ihn der Argwohn, die bisher so Folgsame könnte noch ausspringen. Immer wieder aufstehend aus dem Bett, arbeitete er die Strategie der Umstellung für den nächsten Tag in allen Einzelheiten aus. Vor allem: keinen Augenblick sie allein lassen. Einen Fiaker mieten, ihn überall warten lassen, keinen Schritt zu Fuß gehen, damit sie nicht am Ende zufällig ihrem Anwalt auf der Straße begegne. Verhindern, daß sie eine Zeitung lese vielleicht könnte wieder etwas über den Ausgleich im Prozeß Orosvár darinstehen, und sie Verdacht schöpfen, noch ein zweites Mal geprellt zu werden. Aber in Wirklichkeit waren alle diese Ängste und Vorsichtigkeiten überflüssig, denn das Opfer wollte ja gar nicht entkommen; wie ein Lamm an einem rosa Bändchen lief es dem schlimmen Schäfer gehorsam nach, und als unser Freund nach einer verwüsteten Nacht ausgemüdet den Frühstückssaal des Hotels betrat, saß sie schon, im gleichen selbstgeschneiderten Kleid, geduldig wartend. Und nun begann ein sonderbares Karussell, indem unser Freund das arme Fräulein Dietzenhof völlig überflüssigerweise von morgens bis abends im Kreise herumschleppte, um ihr alle jene künstlichen Schwierigkeiten vorzutäuschen, die er selbst in der schlaflosen Nacht auf das mühseligste für sie ausgeklügelt hatte.
Ich überschlage die Details; aber er schleppte sie zu seinem Anwalt und telephonierte von dort in ganz andern Angelegenheiten herum. Er brachte sie in eine Bank und ließ den Prokuristen holen, um wegen der Anlage zu beraten und ihr ein Konto zu eröffnen, er zerrte sie in zwei, drei Hypothekenanstalten und zu einem obskuren Realitätenbüro, als ob er dort Auskünfte holen müßte. Und sie ging mit, sie wartete still und geduldig in den Vorzimmern, indes er seine vorgetäuschten Verhandlungen führte: zwölfjährige Sklaverei bei der Fürstin hatte ihr dies Draußenwarten längst zur Selbstverständlichkeit gemacht, es drückte, es erniedrigte sie nicht, und sie wartete, wartete mit still überkreuzten Händen, sofort den blauen Blick niederschlagend, wenn jemand vorüberkam. Geduldig und folgsam wie ein Kind tat sie, was Kanitz ihr nahelegte. Sie unterschrieb bei der Bank Formulare, ohne sie weiter anzusehen, und quittierte die noch gar nicht erhaltenen Beträge derart
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