Ungeheuer an Bord
unartikulierten, instinktiven Bedürfnis, bemüht, anwesend zu sein, während etwas – irgend etwas – starb.
Denn der Tod anderer war ihr Leben.
Welch eine Freude war es, zwei Insekten einzuhüllen, die in wütendem Todeskampf summten, und zu warten, daß das unterlegene Tier leblos fiele, um den zerfallenden Körper dann langsam und genießerisch in sich aufzunehmen.
Es war eine zeitlos lange Periode, wo ihr Leben nur diese ziellose Suche nach Nahrung war, nach sterbenden oder verwesenden Kreaturen; und ihre Welt war ein kleiner Sumpf, eine grüne, nahrhafte Umgebung unter einem meist grauen, feuchten Himmel, wo sie ihr aktives und zugleich idyllisches, beinahe gedankenloses Leben lebte.
Doch allmählich wurde sie größer. Sie brauchte mehr Nahrung als eine zufällige Suche nach sterbenden Insekten erbringen konnte.
Und so entwickelte sie Techniken, Spezialkenntnisse, die dem Sumpf angepaßt waren. Sie lernte, wo die meisten Insekten waren, welche räuberisch und welche die Beute waren. Sie lernte die Jagdstunden einer jeden Art, und wo die nichtfliegenden kleinen Ungeheuer auf der Lauer zu liegen pflegten – die fliegenden waren zu unberechenbar. Sie lernte ihre unsichtbare Gestalt wie eine Brise zu gebrauchen, die nichtsahnende Mücken und Fliegen während des Tanzes ins Wasser drückte.
Die Nahrung wurde ausreichend, dann mehr als ausreichend. Sie wuchs, und wieder hungerte sie.
Durch bittere Notwendigkeit wurde sie mit einer Welt jenseits des Sumpfes bekannt. Und oh, welch ein Tag war es, als sie über zwei riesenhafte, gepanzerte Bestien kam, die im blutigen Höhepunkt eines tödlichen Zweikampfes ineinander verbissen waren. Die Ekstase, mit der sie die Lebenskraft des unterlegenen Untiers einsog, war wunderbarer als alles, was sie in ihrem ganzen bisherigen Leben erfahren hatte.
In wenigen Wochen, während der Sieger den Besiegten zerriß, während Aasfresser aller Arten sich über den Kadaver hermachten, wuchs die Anabis um das Zehntausendfache.
In dem einen kurzen Jahr, markiert durch zwei Regenzeiten und eine Trockenperiode, wurde die dampfende Dschungelwelt eingehüllt. Die Anabis überzog jeden Ozean und jeden Kontinent und breitete sich in die helleren und höheren Bereiche der Atmosphäre aus, wo sie zum ersten Mal direkt von der Sonne beschienen wurde.
Das Resultat war explosiv. Später, in den Tagen ihrer Intelligenz, lernte sie, daß Sonnenlicht eine notwendige Reaktion ihrer Elemente förderte. Aber in dieser ersten Minute gab es nur die Wirkung, die dynamische Expansion. Innerhalb kurzer Zeit erreichte sie den nächsten, benachbarten Planeten. Aber was bedeutete ihr Zeit? In den folgenden hunderttausend Jahren umfaßte sie einen Raum, der die Galaxis ausfüllte, und dann streckte sie sich instinktiv nach den leuchtenden Nebeln anderer Galaxien aus und wurde besiegt von Entfernungen, die ihrer ausufernden, tastenden Materie nicht nachzugeben schienen.
Die Zeit ihres Triumphs ging zu Ende. Dschungelwelten kühlten ab, veränderten ihr Gesicht; die Zufuhr von Lebenskraft nahm nicht mehr zu. Eine Weile blieb sie noch konstant, dann ließ sie nach. Die Anabis hungerte und lernte. Not vermehrte ihre Intelligenz.
Sie entdeckte, daß sie durch Konzentration ihrer Elemente Löcher in den Raum machen, durchgehen und an einem entfernten Punkt herauskommen konnte. So lernte sie Materie transportieren. Sie begann Planetenbahnen zu verschieben und neue Dschungelwelten zu schaffen, und erst später entdeckte sie, daß manche dieser Planeten von eigenartigen, intelligenten Lebewesen bewohnt waren.
Sie glaubte – und ihre Erfahrung bestätigte es –, daß warme Dschungelwelten die meiste Lebenskraft lieferten. Sie untersuchte das Potential der Galaxis und schob Hunderttausende von kühlen Planeten näher an ihre Sonnen heran. Neue Dschungelplaneten entwickelten sich, und für Jahrtausende entstand ein neues Gleichgewicht von Angebot und Bedarf.
Aber die Anabis kannte keine Kontrolle, keine Selbstbescheidung. Mit wachsendem Nahrungsangebot mußte auch sie wachsen; es war ein zwangsläufiger Prozeß.
Und wieder war es nicht genug.
Das Kommen des Schiffes brachte Hoffnung. Sie würde dem Schiff folgen, wohin immer es ging, woher auch es gekommen sein mochte; und danach gäbe es keinen Hunger mehr, aber es sollte auch kein wildes, wucherndes, sinnloses Wachstum mehr geben ...
Als das Schiff am Zentrum der Galaxis vorbeisteuerte und mit zunehmender Beschleunigung auf den ungeheuren
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