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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Die Luft brachte einen Hauch von warmem Staub und Heu mit sich. Und noch eine Nuance, die sie irgendwoher kannte.
    Wieder sog Lara ruckartig die Luft ein, versuchte sich zu besinnen, an was sie dieser Geruch erinnerte, aber sie kam nicht darauf.
    Mehrmaliges Zwinkern klärte den verwaschenen Anblick.
Die Flimmerbalken schärften sich zu millimeterstarken Lichtstreifen. Es dauerte eine Weile, bis ihr einfiel, was solch ein Bild hervorrief: Bretter, durch die von außen eine tiefstehende Sonne hereinschien.
    Mühsam drehte Lara den Kopf. Auch die Hals- und Nackenmuskeln schmerzten. Die Wände schienen aus Holzbohlen zusammengezimmert zu sein. Bruchstückhaft kamen die Erinnerungsfetzen hoch. An den Wahnsinnigen in Jeans und Pantoffeln, an eine biedere Küche, dann tauchte das Klappern von Rädern über Stufen aus den Schatten auf, Regale mit Konservendosen, weißgekalkte Wände, eine einzelne Lampe, die sacht hin und her schaukelte, das Quietschen eines Schlosses, danach absolute Finsternis.
    Hier dagegen war es dämmrig, und die Wände schienen aus Brettern zu bestehen, durch deren Ritzen Licht hereindrang. Eine Blockhütte, eine Scheune? Lara versuchte zu schlucken. Ihre Schleimhäute waren ausgetrocknet, der Hals brannte. Und eine Stimme flüsterte in ihrem Kopf unentwegt, sie solle sich besinnen, nachdenken, sie sei in höchster Gefahr, stattdessen registrierte ihre empfindliche Nase, dass sie abscheulich roch, ein Gemisch aus Angstschweiß, ungewaschener Kleidung und Urin. Und warum hatten ihr eben die Hände nicht gehorcht? Die Halswirbel knackten, als sie seitlich nach unten blickte.
    Ihre Unterarme waren mit Paketband an den Lehnen festgeklebt. Braune Streifen erstreckten sich bis zu den Handgelenken. Große Räder mit einem glatten Griffrand an der Außenseite reichten links und rechts bis fast an die Armlehnen heran. Lara konnte sich nicht so weit nach vorn beugen, dass sie ihre Schuhspitzen sah, aber sie wusste, dass auch die Beine festgeklebt waren. Die Füße ließen sich keinen Millimeter bewegen.

    Sie saß gefesselt in einem altertümlichen Rollstuhl in einem unbekannten Raum, wusste weder, wie sie hierhergekommen war, noch, was man mit ihr vorhatte . Wir wollen sehen, wie wir den angerichteten Schaden wiedergutmachen können. Und du wirst mir dabei helfen! Hast du verstanden?
    Die Fliege summte lauter, kreiste um ihren Kopf, surrte und ließ sich dann auf dem Nasenrücken nieder. Über die Haut kribbelnde Beinchen verursachten einen unerträglichen Juckreiz. Lara schob die Unterlippe nach vorn, pustete Luft nach oben und schüttelte gleichzeitig heftig den Kopf. Die Fliege brummte davon, nur um sich gleich darauf auf ihrem Hals niederzulassen. Anscheinend übte Laras Geruch eine unwiderstehliche Anziehung auf das Insekt aus.
    Sie schloss den Mund und versuchte, das quälende Durstgefühl zu verdrängen. Im Übrigen – du bist nicht geknebelt.
    Dass der Irre ihr keinen Knebel verpasst hatte, konnte eigentlich nur bedeuten, dass niemand ihr Schreien hören würde. Sie war fern jeglicher Zivilisation.
    Zwei Tränen lösten sich und rollten heiß die Wangen hinab. Lara presste die Kiefer aufeinander, sodass es in ihrem Kopf knirschte. Sie wollte nicht heulen. Es musste doch eine Möglichkeit geben zu entkommen! Sie wollte noch nicht sterben, nicht so, nicht hier, nicht jetzt. Sie wollte kämpfen, um sich schlagen, beißen, treten, dem Verrückten die Zähne in den weichen Hals schlagen, sein Blut trinken …
    Der Zorn tat ihr gut. Jetzt nahm Lara das beharrliche Drängen ihrer inneren Stimme endlich ernst. Sie kniff die Augen zusammen, versuchte sich zu erinnern, barg Satzfetzen aus einem Konglomerat aus Wörtern.  … Künstler äußert sich zu seinem Werk… Das Entnehmen von Körpersegmenten ist kein »Ausweiden«, sondern lässt sich schlicht nicht umgehen, da diese Teile für das schöpferische Gesamtwerk vonnöten
sind … bevorzugt für sein Werk junge Frauen … hat D. G. Eine den Weg gewählt, ihren Körper vorher vom Bewusstsein zu trennen …
    En Text, auf einem Computerbildschirm, formuliert im Stil einer Zeitungsreportage. Lara hatte vor dem Monitor gesessen und versucht, ihr Entsetzen über das Geschriebene zu bezwingen, es vor dem Mann zu verbergen, der seitlich neben ihr gestanden hatte. Sie hatte seinen heißen Atem im Nacken gespürt wie einen Pesthauch und gewusst, dass er auf eine Reaktion von ihr lauerte, dass sein irres Gehirn hoffte, sie möge den Text gut finden, verstehen,

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