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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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durch. »Was war denn in den letzten Tagen bei ihr geplant?«

    »Gestern früh hatte Lara einen Arzttermin für eine Computertomografie. Sie ist halb zehn dort weg. Danach hat sie keiner mehr gesehen.« Marks Finger trommelten nervös auf dem Tisch.
    »In der Redaktion war sie jedenfalls nicht.« Jo war aufgestanden und tigerte in der Küche auf und ab. »Sie ist verschollen.« Er weigerte sich, sich etwas Schlimmeres vorzustellen.
    »Wissen Sie, wer bei der Kripo hier zuständig ist? Wer leitet die Untersuchung der Paketfälle?«
    »Kriminalkommissar Stiller heißt der Mann.« Jo schüttelte unbewusst den Kopf. »Aber ich warne Sie. Der ist nicht besonders umgänglich.«
    »Ohje, der.« Mark schluckte trocken und griff dann nach dem Telefon. Seine Finger zitterten. Lara war in höchster Gefahr. »Die müssen jetzt etwas unternehmen!«

30
    »Trink das!« Er hielt ihr die Tasse an die Lippen, aber Lara-Schatz hatte beschlossen, mal wieder störrisch zu sein. So wandte Doctor Nex erneut den Trick mit der zugehaltenen Nase an. Nach einer halben Minute begann sie zu zappeln, und als sich daraufhin ihr Mund mit einem Schnappen öffnete, schüttete er das Betäubungsmittel hinein. Wenn sie gedacht hatte, ihm auf der Nase herumtanzen zu können, so hatte sie sich getäuscht.
    Außerdem war es sowieso bald vorbei. Nur dass Lara Birkenfeld davon noch keine Ahnung hatte. Während die Medizin zu wirken begann, marschierte er im Keller hin und her und suchte Utensilien heraus. Es gab viel zu bedenken.

    Als ihr Kopf zur Seite sank, war alles beisammen, und er legte den Metallkoffer mit den Geräten auf ihren Schoß. Dann begann er, den schweren Rollstuhl Stufe für Stufe nach oben zu ziehen. Seine kleine Reporterin würde eine hübsche Ausfahrt machen.
     
    Das Licht in der Garage erleuchtete jeden Winkel.
    Doctor Nex parkte den Rollstuhl an der Rückwand, setzte sich in den Ford und ließ den Motor an. Er hatte Laras Mini Cooper gestern Abend im Schutz der Dunkelheit noch von der Tankstelle zu einem nahe gelegenen Parkplatz eines Einkaufszentrums gefahren. Für die Hin- und Rückfahrt hatte er den Bus benutzt. En bisschen umständlich das Ganze, aber so war es sicherer. Jeder würde vermuten, dass Lara Birkenfeld im Umkreis des Supermarktes verschwunden war. Fingerabdrücke von Doctor Nex gab es in ihrem Auto nicht. Er hatte die ganze Zeit seine Lederhandschuhe getragen.
    Er stieg wieder aus, betrachtete die Rückbank seines Autos und öffnete dann zum Vergleich den Kofferraum. Im Kofferraum war ausreichend Platz für einen schlanken Frauenkörper. Und der Transport würde keinem auffallen. Andererseits  – was, wenn sie während der Fahrt aus ihrer Narkose erwachte und zu randalieren begann? Das Risiko war unberechenbar. Zu viel Betäubungsmittel wollte er ihr auch nicht einflößen, sonst schlief sie zu lange oder wachte womöglich gar nicht wieder auf. Noch wurde sie gebraucht. Zumindest so lange, bis er wusste, ob die erneute Eingabe seines Textes bei der Tagespresse funktioniert hatte.
    Vielleicht war es das Beste, er schnallte Laras regungslosen Körper auf dem Beifahrersitz fest und verstaute stattdessen den Rollstuhl und die Geräte im Kofferraum. Da hatte man sie während der Fahrt auch besser unter Kontrolle, und für
einen zufälligen Beobachter sah es aus, als mache seine Beifahrerin ein kleines Nickerchen. Nur der kritische Moment, in dem er mit ihr an seiner Seite aus seiner Garage fuhr, musste kurz gehalten werden. Er hatte heute keine Zeit zu warten, bis es dunkel wurde.
    Der neuerliche Versuch, seinen Text in die morgige Ausgabe der Tagespresse zu bringen, barg ein großes Risiko. Schnappten sie ihn dabei, würden sie schon sehen, was sie davon hatten.
    Er würde jedenfalls nicht damit herausrücken, wo die kleine Journalistenschlampe war. Bei ihm daheim mit Sicherheit nicht. Seine hervorblitzenden Eckzähne verstärkten das perfide Grinsen.
    Laras Lider waren verklebt. Sie hörte, wie ein angestrengtes Stöhnen aus ihrem Mund kam, und wollte den Arm heben, um sich die Augen zu reiben, aber weder die linke noch die rechte Hand gehorchten. So kniff sie die Lider fester zusammen, um sie dann mit einem heftigen Ruck zu öffnen. Jetzt gelang es.
    Lara starrte auf das verschwommene Bild. Es war durch unzählige gelb flimmernde Längsstreifen geteilt. Hinter ihr surrte eine aufgeregte Fliege. Sie versuchte, tief einzuatmen. Es schmerzte in ihrer Brust, so als seien die dünnhäutigen Bronchien versengt worden.

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