Ungeheuer
Gummianzug wie eine müde Schlange aufgerollt. Die Aufräum- und Säuberungsaktion in der Garage war damit beendet. Lüften konnte er im Lauf des Tages. En kleines Unbehagen rumorte in seinem Kopf herum, während der Blick über die Parade glitt, so als stimme mit dem dargebotenen Anblick etwas nicht ganz. Noch einmal ließ er die Augen von links nach rechts gleiten, zählte die Gläser, betrachtete die glänzende Gummihaut, aber der Gedanke ließ sich einfach nicht fassen. Schließlich zuckte er mit den Schultern und ging, um die Sachen nach oben zu bringen.
Doctor Nex sang. Wasser strömte aus dem großen Duschkopf wie feiner Tropenregen auf ihn herab. Der grobporige Naturschwamm erzeugte schwach duftenden Limonenschaum auf seiner glattrasierten Haut. Er rieb systematisch über den ganzen
Körper, streichelte Kopf, Hals, Brust, Arme, Beine, verweilte im Lendenbereich länger, rubbelte, schabte und genoss dabei heftig keuchend das Gefühl des zarten Trommelns auf dem Rücken.
Lächelnd stieg er aus der Dusche und trocknete sich ab. Das pedantische Waschen hatte seinen Körper geläutert. Mit feinem Wispern entfaltete er nun den Latexanzug in der Badewanne. Er verteilte das Limonenshampoo großzügig über der dunklen Oberfläche und rieb den Gummi von oben nach unten mit dem Schwamm ab; bemüht, möglichst viel Schaum zu erzeugen. Nach mehreren Spülgängen innen und außen glänzte die Schutzhaut wie neu. Auf einem Bügel über der Wanne schaukelte der leere Anzug wie ein kopfloser Gehenkter sacht hin und her, feine Tröpfchen perlten nach unten und fielen mit leisem Platschgeräusch auf das Email.
Der Mann löschte das Licht und ging hinaus. Jetzt konnte er sich endlich in Ruhe seinem Kunstwerk widmen. Die Präparation der Objekte duldete keinen Aufschub. Außerdem war er noch nicht müde. Schlafen konnte man später.
Er schlief gern, wenn es draußen hell war. Seine Mutter hatte dies nicht geduldet. Man schlief nicht am Tag. Auch nicht, wenn man Arrest im Keller hatte, wo kein Tageslicht hereindrang. Die alte Furie hatte stündlich kontrolliert, ob er auch ja munter war; und wehe, sie ertappte den kleinen Jungen beim Schlafen. Irgendwann war er darauf gekommen, dass er sie herabschleichen hören konnte, wenn er sich nur ganz dicht an die Kellertür setzte und das Ohr an das Holz presste. So konnte er die Augen schließen, um sich aus der harschen Realität zurückzuziehen, und bei ihrem Herannahen rechtzeitig die von ihr geforderte Sitzposition an der rückwärtigen Wand wieder einnehmen, bevor sie hereingestürmt kam.
Inzwischen jedoch konnte ihm die garstige Hexe nichts mehr anhaben, und es bereitete ihm eine diebische Freude, gerade das zu tun, was sie verboten hatte.
Draußen wurde es allmählich hell. Gelb flackerte ein einsamer Stern über den Baumwipfeln am dunkelblauen Firmament. In der Vorortsiedlung herrschte friedliche Stille. Er schloss die Jalousien. Erst dann tastete er sich zur Tür und schaltete das Licht ein.
Nachdem die Gläser nebeneinander auf dem Tisch standen, schlüpfte Doctor Nex in seinen Laborkittel und ging, um ein Glas Wasser zu trinken. Wieder zurück, setzte er sich und rutschte dann dichter an den Tisch heran, um die mitgebrachten Dinge vorab noch einmal in ihrer Vollständigkeit zu betrachten. Die Hautlappen hatten sich, so weit es ging, entfaltet und an die Wände des Glases geschmiegt. Gedankenverloren strich seine Rechte über den Kopf, während er über die Präparation des Leders nachsann. Stoppeln kitzelten die Handfläche. Die Stoppeln seiner kurzgeschorenen Haare.
Haare.
Haarstoppeln.
Die Hand hielt inne. Doctor Nex’ Augen weiteten sich. Er starrte auf die Gläser, ohne sie zu sehen.
Die Kopfhaut musste bei der Jagd immer bedeckt sein. Haare enthielten DNS. DNS führte zum Täter. Deshalb rasierte er sich vorher den ganzen Körper, trug einen Latexanzug und Handschuhe und beklebte den Kopf mit einer Folie.
Sein Blick kehrte ins Zimmer zurück, musterte die Objekte. Wo war diese verfluchte Kopffolie?
Etwas begann in Doctor Nex’ Kopf zu heulen, während er in die Garage hastete.
10
Lara stellte sich an der Anmeldung an und schaute auf die große Uhr dahinter. Halb acht. Der Arzt hatte am Freitag gesagt, es würde nicht lange dauern. Sie hatte diese Woche Spätdienst, wollte aber zur mittäglichen Redaktionskonferenz zurück sein. Schließlich gab es immer Kollegen, die die geplanten Zeilen und Spalten anderer an sich zu reißen versuchten, wenn diese
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