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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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nicht da waren. Tom war einer von ihnen. Mochte er auch noch so nett tun, seine Artikel gingen immer vor. Hubert hatte ihr neulich im Vertrauen erzählt, der Posten des stellvertretenden Chefredakteurs der Tagespresse würde bald frei werden. Mit Sicherheit versuchte Tom, sich zu profilieren. Tom war ein Karrierist.
    »Sie müssen zehn Euro Praxisgebühr bezahlen.«
    »Schon wieder?« Lara kramte nach ihrem Portemonnaie.
    »Der Juli hat begonnen. Neues Quartal.« Die Sprechstundenhilfe machte ein »Ich-kann-auch-nichts-dran-ändern«-Gesicht. Es war eine andere Frau als vergangenen Freitag. Lara hatte schon befürchtet, über ihre Absencen ausgefragt zu werden.
    »Kommen Sie bitte mit.« Die Schwester ging voran, wies ihr einen Platz zu und bereitete die Utensilien zum Blutabnehmen vor. Lara beobachtete, wie das dunkelrote Blut in die Röhrchen floss.
    »Gleich fertig. So, das war’s schon.« En Pflaster landete auf der Einstichstelle. »Am Mittwoch kommen Sie wieder, dann bespricht der Doktor mit Ihnen die Werte.« Die Schwester schaute hoch und sah Lara nicken. »Wiedersehen!«

     
    »Aber gerade so …« Tom klopfte auf seine Uhr und grinste anzüglich. Lara ignorierte ihn, warf ihre Tasche über die Stuhllehne und suchte auf dem Schreibtisch nach dem Wochenplan der Redaktion, den sie sich letzten Freitag ausgedruckt hatte. »War heute früh irgendwas Besonderes?«
    »Nur das Übliche. Gert kam wie immer zehn Minuten zu spät, Christin hat nur an den nächsten Kaffee gedacht, und Friedrich war noch im Halbschlaf. Und bis jetzt hatten wir auch nur Tagesgeschäft.«
    »Also, alles wie immer. Wo ist denn, verflucht …«
    »Suchst du das?« Tom wedelte mit dem Wochenplan und griente. »Ich habe ihn schon mal prophylaktisch an mich genommen.«
    »Ach so? Seit wann ist an meinem Schreibtisch Selbstbedienung?«
    »Ach komm, Lara! Ich wusste doch nicht, ob du pünktlich kommst, und wollte dir einen Gefallen tun.«
    »Lass das bitte in Zukunft. Ich kann mich schon sehr gut um mich selbst kümmern.« Lara spürte die glühende Hitze unbeherrschten Zorns in ihrer Brust. Dieser eitle Möchtegerncharmeur!
    »Dann wollen wir mal, was?« Tom marschierte, seine Angeber-Ledermappe unter dem Arm, fröhlich vorneweg. Es schien ihm nichts auszumachen, gemaßregelt worden zu sein. Oder er hatte ihre Bemerkung gar nicht als Tadel aufgefasst. Lara presste ihre Hand in die Hosentasche, die am liebsten in die arrogante Visage ihres Kollegen gefahren wäre. So ein Lackaffe!
    Die anderen saßen schon im Besprechungsraum. Während der Chef die Themen der Woche anriss, dachte Lara an dunkelrotes Blut in durchsichtigen Röhrchen und einen Überweisungsschein zum Neurologen.

     
    »Wie wär’s mit Kaffee?«
    Tom nickte, und Isi eilte beflissen in den Nebenraum. Lara überlegte noch, ob die Praktikantin mit ihrer Frage sie beide oder nur ihren Kollegen gemeint hatte, da kam diese auch schon zurück, zwei Tassen in der Rechten, eine in der Linken. Während Tom und Isabell sich über ihr Wochenende austauschten  – sie mit halbem Hintern auf der Schreibtischkante, er mit hinter dem Kopf verschränkten Armen in den Stuhl zurückgelehnt – , schaute Lara die News aus dem Ticker durch. Als das Telefon zwischen ihnen klingelte, war Lara schneller.
    »Birkenfeld.«
    »Lara? Gut, dass ich dich gleich dranhabe! Pack deine Sachen, schnell!« Es klang gehetzt.
    »Was ist denn los?«
    »En Großbrand in einem Wohnhaus in der Bahnhofstraße. Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei, alles da. Ich komm nicht dicht ran, ist alles abgesperrt. Aber es sieht aus, als ob da Leute aus dem Fenster springen! Mach dich auf die Socken, los!«
    Tom und Isabell hatten ihr Gespräch unterbrochen. Die Praktikantin beobachtete mit offenem Mund, wie Lara, den Hörer am Ohr, Sachen in ihre Tasche warf.
    »Alles klar, Jo, ich bin schon unterwegs.«
    »War das Joachim – unser Haus- und Hoffotograf?« In Toms Augen funkelte die Neugier.
    »Ja, ein Brand. Ich bin weg!« Lara war schon auf dem Weg zur Tür. »Ihr könnt mich auf dem Handy erreichen, falls was sein sollte!« Die Tür schnappte zu.
    Auf dem Weg in die Bahnhofstraße überschritt sie sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen. Über den Dächern stieg eine schwarze Wolke senkrecht in den Himmel. Lara parkte das Auto am äußersten Ende einer Bushaltestelle und
hastete die Straße zum Bahnhof hinauf. Schon von Weitem waren Streifenwagen und die Feuerwehr mit ihren blau rotierenden Lichtern und den ausgefahrenen

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