Ungeheuer
Blondie war ihm so zerbrechlich erschienen, und doch hatte sie eine weißgelbe Speckschicht unter der Oberhaut. Er griff nach dem Rand und zog daran. Elastisch schnippte das Stück in seine Ausgangslage zurück.
Diese Haut war jung und frisch, dehnbar und stabil, sie würde ein gutes Leder abgeben. Da nicht vorherzusehen war,
wie die Oberfläche seiner späteren Opfer beschaffen sein würde, war es sicher sinnvoll, hiervon zwei größere Lappen abzutrennen und mitzunehmen.
Ed Gein hatte sich Kleidungsstücke aus der Haut seiner Opfer gemacht. Aber Edward Theodore Gein war ein Stümper gewesen. Das Tragen unzureichend gegerbten, harten, unnachgiebigen Menschenleders hatte sich mit Sicherheit unangenehm angefühlt.
Nein, Doctor Nex hatte nicht vor, sich aus den Bauchlappen dieser Frau eine Weste zu nähen. Er brauchte das Gewebe als äußere Hülle für sein Kunstwerk. Mit ein paar schnellen Schnitten trennte er die beiden Hautstücke an den Seiten ab, spülte sie mit Brennspiritus und rollte sie zusammen, damit sie in das letzte leere Glas passten. Fertig.
Nach dem Aufräumen und Verstauen seiner Gerätschaften und Utensilien schritt der Mann, das Nachtsichtgerät wie ein großes, aufrecht gehendes Insekt wieder vor den Augen, den Schauplatz der Sektion ab und suchte nach Spuren.
Vor dem Bedecken des Körpers vollführte er seine Abschiedszeremonie und zitierte zum Dank an die Lieferantin den Abschiedsspruch, den er extra für sie ausgewählt hatte: Finis coronat opus – Das Ende krönt das Werk.
Die Augen abwechselnd auf den blau-weißen Bildschirm des Navigationsgerätes und den umgebenden Wald gerichtet, tappte der schwarze Mann los. In seinem Rücken konnte er bei jedem Schritt die gefüllten Gläser spüren. Obwohl sie fest in das befleckte Tischtuch eingewickelt waren, bewegten sie sich hin und her und stießen an die chirurgischen Instrumente.
Nach einer knappen Stunde hatte er sein zwischen Sträuchern verborgenes Auto erreicht. Dass er ein wichtiges Utensil
im Wald zurückgelassen hatte, wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Das Garagentor quietschte so laut, dass bestimmt die ganze Nachbarschaft davon wach wurde. Ohne Licht fuhr er vorsichtig in die schwarze Höhle. Es fehlte noch, dass einer der senilen Alten in den Nachbarhäusern bemerkte, dass die Kennzeichen an seinem Auto nicht passten. Ratternd fuhr die Metallwand herunter, und der Mann blieb noch einen Moment sitzen. Im Licht der Scheinwerfer ging er schließlich zur gegenüberliegenden Wand und ließ die Neonbeleuchtung aufflammen.
Dem Kofferraum entströmte ein Geruch nach Hochprozentigem. Die Flasche mit dem Brennspiritus lag neben der Klappkiste, der Verschluss fehlte. Sie musste während der Fahrt umgekippt sein.
Vorsichtig hob der Mann die Einkaufskiste heraus und betrachtete die Unterseite. Der Spritgeruch biss in seine Nasenschleimhäute. Nur der Boden des Kofferraums war etwas feucht. Der Rest Spiritus aus der fast leeren Flasche war komplett in den filzigen Teppich, der den Kofferraum auskleidete, gesickert.
»Das macht fast gar nichts.« Es handelte sich schließlich um harmlosen Brennspiritus, nicht um Blut oder andere Körperflüssigkeiten. Heiseres Lachen hallte von den Betonwänden der Garage wider. »Machen Sie sich an die Arbeit, Doctor Nex, es gibt viel zu tun!«
Jetzt erst stellte er die Einkaufskiste auf den Boden und begann, den Inhalt auszuräumen.
Den Latexanzug würde er von rechts auf links drehen, mehrmals abspülen und dann trocknen müssen. Das angetrocknete
Sperma im Innern war einfach widerlich, aber es gab keine sichere Möglichkeit, seinen Saft nach außen zu verspritzen. Die Schraubgläser mit dem kostbaren Inhalt stellte er nebeneinander auf die Treppe. Die Flüssigkeit im Innern hatte sich rötlich gefärbt. Man konnte noch so viel spülen und abkratzen, der Brennspiritus löste doch immer noch Blutreste von den Geweben.
Der Taser klapperte aus seiner Hülle. Er legte die Ersatzkartusche in das Regal und entfernte die Akkus von Elektroschocker und Nachtsichtgerät, um sie zum Aufladen mit nach oben zu nehmen.
Nachdem der Kofferraum leer war, hob er die Filzmatte heraus und hängte sie zum Trocknen über einen hölzernen Bock. Fertig. Den Rest würde er oben erledigen, sich dann einen schönen kalten Gin gönnen und anschließend schlafen. Das Wochenende hatte gerade erst begonnen. Der Mann sah sich prüfend um. Neben den auf der Treppe bereitgestellten Gläsern hatte sich der schwarze
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