Ungeheuer
flüsterst du?«
»Ich bin in der Redaktion.« Lara sah sich um. Die anderen waren noch immer beim gemeinsamen Frühstück.
»Ach richtig, du hattest ja gesagt, dass du diese Woche Frühdienst hast. O. K, ich mache es kurz, und wir telefonieren später noch einmal ausführlich. Es geht um den Fund der Frauenleiche gestern Abend, du weißt?« Obwohl Mark es nicht sehen konnte, nickte Lara. »Warte ganz kurz. Ich muss meinen Artikel sichern.« Lara drückte auf »speichern«, suchte gleichzeitig nach ihrem USB-Stick, stöpselte ihn ein und rief das Dokument mit den Details zu den Frauenmorden auf. Sie konnte Mark atmen hören.
»Pass auf. Es ist der gleiche Tathergang. Genau wie bei den beiden anderen war die Leiche nackt, wurde in einem Wald gefunden, und ihr wurden Organe entfernt.«
»Welche Organe waren das?«
»Details weiß ich noch nicht. Die Obduktion ist noch nicht beendet. Jedenfalls fehlen die Augen.«
»Die Augen?« Lara hörte sich selbst zischend einatmen.
»Ja. Tut mir leid.«
»Das muss dir nicht leidtun. Ich versuche bloß, das Bild dazu aus meinem Kopf zu verdrängen.«
»Außerdem hat man im Blut der vorhergehenden beiden Opfer Betäubungsmittel von der Gruppe der Benzodiazepine gefunden.«
Lara tippte das Wort in ihre Datei und nahm sich vor, sich später über den Stoff zu informieren.
»Und sie hatten ziemlich identisch aussehende Wundmale in Taillenhöhe. Könnte ein Elektroschocker gewesen sein.«
»En Elektroschocker.« Lara schrieb »Elektroschocker« und sprach dabei ins Telefon. »Das würde bedeuten, er hat sie zuerst damit kampfunfähig gemacht und anschließend mit dem Betäubungsmittel ruhiggestellt.«
»Genau so stelle ich mir das vor.«
»War das auch bei der Leiche von gestern der Fall?«
»Ich gehe davon aus, dass ähnliche Male gefunden werden.«
»Mark, wenn das so ist, können wir sicher sein, dass es sich um einen Serienmörder handelt! Etwas anderes kann ich mir gar nicht vorstellen! Oder glaubst du, dass zwei Täter mit identischer Vorgehensweise zur gleichen Zeit in Deutschland unterwegs sind?«
»Nein, Lara, das ist äußerst unwahrscheinlich. Die zahlreichen Übereinstimmungen deuten zwar stark darauf hin, aber sicher sind wir noch nicht. Ich kümmere mich darum. Und du musst Stillschweigen bewahren.«
»Darauf kannst du dich verlassen. Ich schweige wie ein Grab.« Lara fragte sich kurz, warum er sie dann überhaupt angerufen und ihr von den neuen Entwicklungen erzählt hatte, wenn er Zweifel hatte, vergaß den Gedanken aber fast sofort wieder. Mark wusste schließlich, dass seine Informationen bei ihr sicher waren.
»Gut. Dann störe ich dich jetzt nicht länger. Ich rufe dich heute Abend noch einmal an.«
»Danke dir. Bis später dann.« Lara nahm das Telefon vom Ohr und schaltete es aus.
»En Serienmörder?« Sie zuckte zusammen. Tom stand direkt hinter ihr und streckte eine Tasse in ihre Richtung. Seine Augen leuchteten. »Ich hab dir einen Kaffee mitgebracht, weil du vorhin nicht hier warst.«
»Danke.« Lara nahm ihm die Tasse ab.
»Was hast du gerade über einen Serienmörder gesagt?« Tom war hartnäckig. Wenn ihn etwas interessierte, war er wie ein Trüffelschwein, er wühlte, schnüffelte, suchte, bis er das Geheimnis ausgegraben hatte.
»Nichts von Belang. Ich habe mich mit einem Kollegen
über einen Fall in den USA unterhalten.« Lara nahm einen Schluck. Das Gebräu war wie immer widerlich – lauwarm und bitter.
»Ach so.« Tom stand noch immer da und starrte auf ihren Bildschirm. Lara folgte seinem Blick. Die Worte »Elektroschocker« und »Benzodiazepin«, die sie selbst eben erst geschrieben hatte, flackerten vor ihren Augen, dann schaltete sich der Bildschirmschoner ein. Toms Nasenspitze zuckte jetzt. Das Trüffelschwein hatte Witterung aufgenommen.
»Also, ich muss dann mal weitermachen.« Lara wartete, dass er sich entfernte. Sie würde kein Wort mehr dazu sagen. Tom blieb noch ein paar Sekunden stehen, sein Blick huschte zu dem USB-Stick, dann drehte er sich schulterzuckend um und ging zu seinem Platz.
Lara schloss das Dokument, zog den Speicherstick ab und verstaute ihn in ihrer Handtasche.
Als sie eine Stunde später zur Toilette ging, glitt Tom um den Tisch herum, fand mit einem Griff den USB-Stick, überspielte die Dateien auf seinen Rechner und verstaute das Gerät wieder in ihrer Handtasche, alles in zwei Minuten.
Als Lara zurückkehrte, saß er an seinem Platz und tat beschäftigt. Dass seine Nasenspitze noch immer
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