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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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ich gehe gleich rüber.« Lara suchte nach Notizbuch und Handy und überlegte dabei, was der Redaktionsleiter von ihr wollte. Sie war sich jedenfalls keiner Schuld bewusst.
    Im Zimmer des Chefs roch es nach frisch gebrühtem Kaffee und Männerschweiß. Gernot Hampenmann – hinter seinem Rücken nannte man ihn »Hampelmann« – thronte hinter seinem Schreibtisch. Er reagierte nicht auf Laras Erscheinen, sondern tat beschäftigt. Lara näherte sich, grüßte noch einmal und setzte sich in den Besucherstuhl, nachdem der Chef, ohne die Augen von dem Papier zu heben, eine unwirsche Geste gemacht hatte. Wenn Gernot Hampenmann den Kopf so nach vorn neigte, wie er es jetzt gerade tat, konnte man die Strähnen, die er über die kahlen Stellen seines Schädels kämmte, besonders gut sehen. Lara ließ den Blick nach unten wandern und landete bei den kurzen Beinen des Redaktionsleiters, die, mit schwarzen Socken bestrumpft, in polierten Schuhen endeten. Die Sohlen berührten kaum den Boden.
    Man durfte in der Redaktion weder Haarausfall noch die Probleme zu klein geratener Männer thematisieren. Überall lauerten Fallstricke. Schnell blickte sie wieder auf, direkt in Gernot Hampenmanns zusammengekniffene Augen.
    »Wir haben ein Problem, Frau Birkenfeld.« Er sprach sehr leise.
    »En Problem?« Seit Tom ihr gesagt hatte, der Chef sei auf hundertachtzig, hatte Lara darüber nachgedacht, was passiert sein könnte.
    »Ja, ein Problem! Tun Sie nicht so unschuldig.« Jetzt wurde
er lauter. »Raten Sie mal, wer mich vorhin angerufen hat.« Er wartete kurz, und als Lara nur die Schultern hob, setzte er fort. »Kriminalkommissar Stiller!«
    »Was …?« Weiter kam sie nicht.
    »Er hat sich beschwert. Und zwar über Sie.« Gernot Hampenmanns Zeigefinger stach in Richtung Laras Brust. »Sie würden die Arbeit seiner Kollegen behindern, polizeiliche Abläufe stören, Tatorte mit Ihren Spuren verunreinigen. Das kann so nicht weitergehen!« Jetzt redete er so laut, dass die draußen sicher jedes Wort verstanden. Lara schämte sich ein wenig und sagte sich gleichzeitig, dass dazu kein Anlass bestand.
    »Ich habe niemanden behindert.«
    »Waren Sie an dem Tag, als der Großbrand in der Bahnhofstraße war, vor Ort?«
    »Ja sicher. Ich habe auch darüber geschrieben.«
    »Und haben Sie sich hinter der Absperrung aufgehalten und während der Löscharbeiten Feuerwehrleute befragt?«
    »Nicht während der …«
    »Moment! Ich bin noch nicht fertig!« Hampenmanns Handfläche klatschte im Takt auf den Tisch. »Stimmt es, dass Sie den Kommissar dauernd mit Anrufen behelligen und, weil Sie von ihm keine Auskunft bekommen, seine Leute danach in der Wache belästigt und von ihren Aufgaben abgehalten haben?«
    »Das war ganz anders.«
    »Aber sicher!« En feines Speicheltröpfchen löste sich vom Mund des Redaktionsleiters und wehte auf die Tischplatte. »Wenn das nicht sofort aufhört, ziehe ich Sie von sämtlichen Polizeireportagen ab. Betrachten Sie dies als Abmahnung. Und ich erwarte, dass Sie sich bei Kommissar Stiller entschuldigen. Und zwar umgehend!«

    Der Redaktionsleiter nahm die Papiere wieder zur Hand. Für ihn schien das Gespräch beendet zu sein. Der Hampelmann hatte Lara nicht einmal die Möglichkeit gegeben, die ganze Sache aus ihrer Sicht zu schildern. Sie erhob sich und spürte, dass sie zitterte. Sie sollte sich bei Stiller entschuldigen? Der hatte sie wohl nicht mehr alle! Eigentlich müsste der Marabu sich bei ihr entschuldigen!
    Sich den Oberarm reibend, marschierte Lara zur Tür und riss sie auf. Isabell und Tom, die direkt davorgestanden hatten, machten synchron einen Schritt nach hinten und beobachteten dann verblüfft, wie die Kollegin zu ihrem Stuhl stürmte, die Handtasche nahm und hinausrannte.
     
    Lara tupfte sich mit einem Tempo die Feuchtigkeit unter den Augen weg und schniefte. Friedrich kam heraus, um seine Morgenzigarette hinter dem Haus zu rauchen. »Alles klar bei dir?«
    »Sicher. Ich kämpfe bloß mit Heuschnupfen.« Zur Bekräftigung ihrer Worte schnaubte Lara geräuschvoll in das Taschentuch und ging, um dem Kollegen keine Möglichkeit für weitere Fragen zu bieten.
    Zurück in der Redaktion, waren alle Plätze verwaist. Kichern und Girren schallten aus der Kaffeeküche, begleitet von brummelnden Untertönen. Lara rückte ihren Stuhl zurecht und wollte gerade zu tippen beginnen, als ihr Handy klingelte. Im Display stand »Mark«.
    »Birkenfeld?«
    »Lara, ich bin’s, Mark.«
    »Ich weiß.«
    »Warum

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