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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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und zu auf seinen Monitor. »Die Mutter hat vor der Urteilsverkündung ihren Anwalt eine Erklärung verlesen lassen. Darin wies sie die Vorwürfe zurück, dass ihr Sohn nichts zu essen und zu trinken bekommen habe. Er hätte immer
schon schlecht gegessen. Ihr größter Wunsch wäre, dass ihr Kind noch lebte und in die Schule gehen könnte.«
    Lara setzte sich und musterte die Papiere auf ihrem Schreibtisch, während sie Isi flüstern hörte: »Ob die selbst davon überzeugt ist?«
    Es war wie bei den sieben Zwergen. Irgendjemand hatte sich schon wieder an ihrem Platz zu schaffen gemacht.
    »Ich glaube das zwar nicht, aber manchmal verdrängen die Leute solche furchtbaren Sachen auch total. Jedenfalls muss sie nun für dreizehn Jahre ins Gefängnis.«
    Lara ließ ihren Mittelfinger auf der Enter-Taste landen und öffnete den Mund, um ihren Kollegen zu fragen, wer an ihrem Computer gewesen war.
    »Der Fall ist zum Glück abgeschlossen.« Tom sah auf. »Guten Morgen, Lara. Die Mutter von Dennis ist rechtskräftig verurteilt. Eine Berufung wird es wahrscheinlich nicht geben.«
    »Ich habe es gehört.« Lara ließ den Blick zu Isabell wandern, die gerade versuchte, ihren Rocksaum in Richtung Knie zu zerren. »Wer hat an meinem PC gearbeitet?«
    »Christin.«
    »Aha?«
    »Sie ist schon wieder weg. Hat nur ein paar Sachen eingegeben.« Tom sah Isi nach, die sich inzwischen erhoben hatte und in Richtung Küche stolzierte. Seine Zunge kam hervorgekrochen und fuhr über die Unterlippe.
    »Traritrara, die Post ist da!« Hubert stieß die Tür mit dem Fuß auf und schwenkte den Packen Papier. »Was haben wir denn da alles?« Er leckte den rechten Mittelfinger an und begann dann, die Kuverts durchzusehen, während er die Namen der Empfänger vor sich hin murmelte: »Redaktion, Christin; Redaktion, ich; Redaktion, zweimal Gernot, einmal –
hoppla!« Das »Hoppla« klang überrascht. Es tönte noch ein wenig nach. Mehrere Köpfe wandten sich in Richtung Eingang, wo Hubert noch immer stand und auf einen weißen Umschlag starrte. »Das ist… das ist…« Hilfesuchend sah er sich um und warf dann den Brief hastig auf die Tischplatte, als habe er sich die Finger daran verbrannt.
    »Was hast du denn?« Tom war aufgestanden. Mit vorsichtigen Schritten näherte er sich dem Tisch, als wittere er Unheil. »Oh!«
    In dem Augenblick, in dem Lara sich erhob, glühten vor ihren Augen die Worte »ignoriert«, »unsachgemäße Behauptungen« und »Verdrehungen der Tatsachen« wie eine bluttriefende Leuchtschrift kurz auf und verglommen dann, noch ehe sie die Druckbuchstaben auf dem Kuvert gesehen hatte. Sie wusste, von wem dieser Brief war, und sie wusste auch, was darin stehen würde.
    »Ich möchte das aufmachen.« Tom streckte den Arm aus.
    »Das wirst du nicht tun!« Huberts Hand klatschte auf Toms Finger. Der unerwartete Widerstand erzeugte einen Ausdruck im Gesicht ihres Kollegen, den Lara noch nie bei ihm gesehen hatte: Verblüffung, vermischt mit widerstrebendem Zorn. Aber er gab noch nicht auf. »Das ist mit Sicherheit eine Nachricht von diesem Serienmörder! Er will uns etwas mitteilen. Uns – der Zeitung! Sonst hätte er den Brief doch gleich an die Polizei geschickt! Willst du dir das etwa entgehen lassen?«
    Lara spürte, wie sich die Härchen an ihren Armen aufrichteten. Tom war einen Schritt zurückgetreten und zeigte nun anklagend auf das Kuvert.
    Hubert ignorierte ihn. »Das sind die gleichen Druckbuchstaben wie auf dem Paket vorgestern. Und er ist an ›LB‹ adressiert. Wir sind kein Wurstblatt, sondern eine seriöse Zeitung. Das bekommt die Spurensicherung!« Er drehte sich
ratsuchend zum Zimmer des Redaktionsleiters um, als wolle er diesen mit seinen Gedanken herbeirufen, obwohl Gernot Hampenmann zu einem Termin außer Haus war.
    »Na gut, aber der Text in dem Brief muss schnellstens von einem dieser Profiler analysiert werden. Ich rufe Kriminalkommissar Stiller an!« Tom hatte sich schon umgedreht und marschierte im Eiltempo zu seinem Telefon, damit keiner der Kollegen ihm mit dem Anruf zuvorkommen konnte. So sah er nicht, wie das Begreifen in Laras Augen aufflackerte.

23
    »Schau mal, da vorn sind ganz viele Heidelbeeren!«, rief die junge Frau fröhlich. Das Kind neben ihr lächelte mit blauverschmiertem Mund. Dann lief es los, schwenkte dabei ein winziges Körbchen.
    »Da wird sich der Papa aber freuen!« Eifrig pflückten kleine Hände die dunkelblauen Kügelchen vom Strauch.
    »Das glaube ich auch, Sarah.«

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